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Unter der Linde

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26. Juni 2023 von Marzellus

Seit der Sommersonnenwende blühen auch in Marmagen wieder die Linden. Hier sind es überwiegend die kleinblättrigen Winterlinden (Tilia cordata), die an vielen Stellen im Ort wachsen. Man nennt sie gelegentlich auch „Herzlinden“ wegen ihrer Blattform.

Baumhummel auf einer Lindenblüte 1

Im Hof meiner kleinen Hobbywerkstatt steht ein schönes Exemplar dieses Baumes. Man kann jetzt seine belaubten Äste mit den vielen Blüten zu sich herunterziehen und den intensiven Balsamduft tief einatmen, der Tausende von Insekten anzieht. Der Duft einer blühenden Linde und das Singen der Insekten, die darin üppig Nektar finden, ist für mich jedes Jahr ein Erlebnis.

Bei dem heißen und trockenen Wetter der letzten Wochen habe ich mich wohl in ähnlicher Weise wie der Baum danach gesehnt, dass es endlich mal ergiebig regnet. Die vergangenen Gewittertage und eine erhöhte Luftfeuchtigkeit haben dafür gesorgt, dass diese prachtvollen Bäume jetzt endlich „honigen“, wie wir Imker sagen.

Dass was sich für viele Menschen wie das Surren eines Trafohäuschens anhört, ist Musik in den Ohren des Imkers. Wenn man sich die Zeit dafür nimmt, entdeckt man Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge, wie sie in der Gesellschaft mit den Honigbienen in den Linden Nektar sammeln. Sie alle zusammen sind die Musiker in diesem großartigen Sommerkonzert. Die Lindenblüte ist eines von vielen Wundern der Natur, die man im Jahreslauf entdecken kann, wenn man seine Sinne dafür öffnet.

Die Bienen sammeln bis in den späten Abend
hinein. Die Spätschicht hat ihren Grund: der
Morgennektar enthält nur 25% Zucker, der
sich bis zum Abend auf 75% steigert.
Im Lindenhonig ist der Anteil an Linden-
pollen gering. Die hängenden Blütenstände

sorgen dafür, dass nur wenig Pollen mit
dem Nektar aufgenommen wird.
Informationen für den Imker

Die Germanen verehrten die Linde als Baum der Fruchtbarkeitsgöttin Freya. Die Linde stand für Werte wie Wahrheit, Mut und Gerechtigkeit. Darum diente sie germanischen Stämmen nicht nur als gemeinschaftlicher Treffpunkt, sondern auch als Ort der Gerichtsbarkeit (Thingplatz). Seit dem Mittelalter gilt sie mit ihren herzförmigen Blättern und ihrem narkotisierenden Blütenduft als Baum der Liebe und der Leidenschaft. „Under der linden | an der heide, | dâ unser zweier bette was, | dâ mugt ir vinden | schône beide | gebrochen bluomen unde gras.“ 2) – Martin Luther sagte von ihr: „Unter der Linde pflegen wir zu trinken, tanzen, fröhlich sein, denn die Linde ist unser Friede- und Freudebaum.“

Aber ich kenne auch Menschen, die sagen, die Linde „macht Dreck!“. Doch sie denken nicht daran, dass die abertausenden Nüsschen, die nach der Bestäubung heranreifen, Nahrung für Vögel und Kleinsäuger sind. Von der ganzen Fülle überlebt (statistisch) nur ein Samen als ausgewachsener Baum. Die Linde ist ein Muster von selbstloser Großzügigkeit der Natur.

„Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder, und euren Vorfahren war er heilig.“ 3)

1) Bildquelle: Von Ivar Leidus – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,
2) Walther von der Vogelweide, Under der Linden
3) angeblich ein Satz von Alexander von Humboldt; wahrscheinlich muss man ihn aber dem Botaniker Reinhold Tüxen zuschreiben.
Beitragsbild: Eigenes Foto


Ein Kommentar zu “Unter der Linde

  1. Helga Baumann sagt:

    Lieber Marzellus, du hast da wieder ein wunderbares Stimm7ngsbild beschrieben! Vielen Dank! Ich habe leider keinen Lindenbaum in der Nähe, aber ich mag ihn auch sehr und erst der Lindenblütenhonig, ein Geschenk der Bienen! Liebe Grüße Helgabiene

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