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Kamikaze aus heiterem Himmel

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11. Juni 2019 von Marzellus

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„Wer Honig ernten will, darf sich nicht vor Stichen fürchten“, lautet eine alte Imkerweisheit. An meinen ersten Bienenstich erinnere ich mich noch lebhaft.

Bei der Stockpflege oder bei der Honigernte rechnet man natürlich mit Bienenattacken. Man kann es den Tierchen nicht einmal übel nehmen. Schließlich verteidigen sie ja ihr Volk gegen einen Eindringling, der vor allem eins von ihnen will: Den Honig, den sie in mühevoller Arbeit gesammelt und eingelagert haben.

Doch die Selbstmordattacke einer Gruppe Bienenkamikazes traf mich dann doch völlig unvorbereitet.

Bei angenehmen frühsommerlichen Temperaturen und einem angeregten Gespräch mit der Nachbarin über Gartenthemen fällt irgendwann der Satz: „Ach, Sie haben Bienen?“ Der typische Endakzent ihrer Frage signalisiert ein erhöhtes Interesse am Thema. Spontan lade ich sie zu einer Betriebsbesichtigung meiner kleinen Hobbyimkerei ein. Wie ließe sich besser über Bienen, ihren ökologischen Nutzen, ihren Fleiß, ihr faszinierendes Sozialwesen und ihr Verhalten plaudern?

Im vollen Vertrauen auf ihre Friedfertigkeit stelle ich mich also in die Nähe des Bienenstocks, während die Nachbarin aus respektvoller Distanz meinem Loblied auf die “Immen” lauscht. An diesem schönen Tag herrscht heftiger Flugbetrieb und ein ordentlicher Stau vor dem Flugloch bestätigt eindrucksvoll: Dieser Laden brummt!

Aber ausgerechnet beim Stichwort Friedfertigkeit erfolgt der Angriff aus dem nicht nur sprichwörtlichen „heiterem Himmel“ . Einer kleinen Gruppe Wächterbienen hat offensichtlich etwas an der Situation nicht gepasst. Sie greifen an und zwingen mich zu einem schnellen, doch bemüht würdevollen Rückzug, vor allem wohl wegen der anwesenden Nachbarin.

Auf das Verhalten der Wächterbienen am Flugloch, die eine deutliche Drohhaltung einnehmen, wenn etwas ihnen nicht passt, konnte ich nicht genügend achten. Dafür stand ich zu weit vom Flugloch weg. Meine Bienchen und ich befanden uns also schon auf der zweiten Eskalationsstufe, bei der eine kleinere Gruppe von Bienensoldaten den Störenfried anfliegt und in unmissverständlichem Alarmton, der höher ist als das normale Bienensummen, signalisiert: Verzieh dich!

Ich mache den entscheidenden Anfängerfehler: Statt Ruhe zu bewahren, versuche ich mich gegen diese Flugmanöver mit heftigen Armbewegungen zu wehren und aus dem Abfangmanöver der Bienenluftwaffe entwickelt sich ein wütender Kamikaze Angriff, bei dem ich in meinen ungeschützen Unterarm gestochen werde. Weitere Angreifer verfangen sich in meinen Haaren, wobei ich dann auch einen Stich in meine Kopfhaut registriere.

Das Himmelfahrtskommando endet für die zwei stechenden Bienen tödlich. Ihr widerhakenbewehrter Stachel, der in erster Linie zur Abwehr von Stockräubern aus dem Insektenreich dient, verhakt sich beim Stechen in meiner elastischen Menschenhaut. Beim Abflug reißt sich dann die Biene den gesamten Stechapparat aus dem Leib. Den Stachel in meinem Arm ziehe ich schnell heraus, damit die pulsierende Giftblase an ihrem Ende nicht die komplette Giftdosis ausdrücken kann. So bleibt zunächst wenig mehr als ein leicht brennender Schmerz, der in meinem Fall schnell wieder abklingt. Das kann man gut aushalten, vorausgesetzt man zeigt bei Bienenstichen keine allergische Reaktion. Am folgenden Tag zeigt der Arm jedoch eine deutliche Schwellung, verbunden mit Juckreiz.

Man hat im Umgang mit Bienen einiges falsch gemacht, wenn sie sich so provoziert fühlen. Vielleicht habe ich zu nah am Stock in ihrer Einflugschneise gestanden. Vielleicht habe ich beim Gespräch mit der Nachbarin zu heftig gestikuliert. Vielleicht war es meine dunkle Vliesjacke, die die Tierchen an einen pelzigen Honigräuber erinnert haben? Vielleicht kamen auch mehrere Auslöser zusammen. Ich weiß es nicht, aber ich bin um eine wichtige Imkererfahrung reicher.

Erst später, als ich noch etwas nach dem Thema Bienenangriff googele, wurde mir klar, dass mein kompromissloser Rückzug in dieser Situation instinktiv richtig war: Wenn ich näher am Bienenstock geblieben wäre, hätte alles schlimmer kommen können. Beim Stich der Biene wird ein Stoff mit der chemischen Bezeichnung Isoamylacetat freigesetzt, der wegen seines charakteristischen Geruchs auch als Bananengas bekannt ist. Das Pheromon stimuliert andere Bienen zum Angriff, um dann auch in größeren Geschwadern den Stock gegen Störenfriede zu verteidigen. Mit Interesse lese ich auch, dass das Pheromon auch in der Lebensmittel und Parfümindustrie als Duftstoff eingesetzt wird. Vielleicht erklärt sich daraus der immer wieder zu lesende Rat, auf intensiv riechende Körperpflegemittel zu verzichten, wenn man sich in die Nähe von Bienen begibt.

Merke: “Die Chemie muss stimmen” – besonders zwischen Imkern und ihren Bienen.

Bienenstich direkt von der Biene

Ein Bienenstich ruft eine lokale Entzündung und eine mehr oder weniger starke Schwellung hervor. Den Schmerz kann man durch Kühlen lindern. Der Saft eines zerriebenen Spitzwegerichblattes lindert die Folgen eines Insektenstiches. Einzelne Stiche in die Haut sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Nur Stiche im Hals- und Rachenraum können lebensbedrohend werden. Wenn die Atemwege infolge eines Bienenstiches zuschwellen, droht Erstickungsgefahr. Sollte das passieren muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden.

Solche gefährlichen Stiche werden zwar oft den Bienen zugeschrieben, werden eher von Wespen verursacht die durch Nahrungsmittel angelockt wurden und versehentlich beim Verzehr in den Mund- Rachenraum gelangen.

Besonders gefährdet sind Menschen, die an einer Insektengiftallergie leiden. Für sie kann selbst ein einzelner unbehandelter Stich tödliche Folgen haben.

Text: © Marzellus Boos, alle Rechte vorbehalten

Foto: Von Waugsberg – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2667096

Ein Kommentar zu “Kamikaze aus heiterem Himmel

  1. thomasbeissel sagt:

    Oh, ich kann das aktuell recht gut nachvollziehen. Die Bienen scheinen gerade etwas, hmmmm, gereizt zu sein. Eine normale Durchsicht ohne Schleier ist auch bei mir aktuell nicht möglich. Ich schiebe es auf das Wetter auf und ab.

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