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Edwin Long: Der Heiratsmarkt von Babylon |
Der „Honigmonat / Honeymoon“ in der Bedeutung „die ersten Wochen nach der Hochzeit“ war auch in unserer deutschen Sprache noch im 18. Jahrhundert durchaus gebräuchlich. Nachdem das Wort dann für längere Zeit verdrängt war, taucht es heute als Synonym für Flitterwochen wieder in unserem Wortschatz auf. Der Duden beschreibt seine Herkunft als eine Lehnübersetzung von französisch „lune de miel“, was seinerseits eine Lehnübersetzung von englisch „honeymoon“ ist, wobei letzteres inzwischen als Anglizismus durchaus häufig in unserer Sprache vorkommt.
In der International Encyclopedia of Marriage and Family [1] erfahren wir über den linguistischen Re-Import „Honeymoon“, dass es sich um ein modernes Hochzeitsritual handelt. Der Brauch, nach der Eheschließung zuerst einmal eine mehrwöchige Reise zu unternehmen, sei im späten 19. Jahrhundert in der englischen Oberschicht entstanden und habe sich von dort aus in ganz Europa und Nordamerika verbreitet.
Zumindest die zeitliche Dauer der „Hochzeitreise“ würde passen, aber was hat eine solche Sitte mit „Honig“ zu tun?
Das Wort „Honeymoon“ ist zum ersten Mal schriftlich belegt in der Glossographia (1656) des Thomas Blunt . Der Zeitgenosse Shakespeares erklärt uns: „married persons that love well at first, and decline in affection afterwards: it is honey now, but will change as the moon.“ Diese Definition des Wortbestandteils „Honig“ lässt Zweifel aufkommen. Die Vorstellung, dass die „Kosewochen“ oft einer gewissen Ernüchterung im Ehealltag weichen, wenn auch nicht unbedingt in Monatsfrist, finden wir auch in deutschen Redensarten: „Nach den Flitterwochen kommen die Zitterwochen.“ Aber dass die anfängliche „Honigsüße“ des jungen Lebensbundes schon bald in „bittere“ Desillusionierung umschlägt, das wäre doch zu pessimistisch.
Übrigens: In ihrem berühmten „Wörterbuch der deutschen Sprache“ nennen die Gebrüder Grimm noch mehr Synonyme für die ersten Wochen der Ehe, unter anderem den „Küssmonat“, die „Zärtelwoche“ oder die „Butterwoche“
Bei der Suche nach dem metaphorischen Sinn von „Honig“ im Zusammenhang mit einer „jungen Ehe“ ist auffällig, dass die Zusammensetzung „Honigmonat“ in zahlreichen indoeuropäischen Sprachen vorkommt. Die englischsprachige Wikipedia listet etliche Sprachen, die die ungewöhnliche Wortkombination kennen, darunter Spanisch, Rumänisch, Türkisch, Persisch, Arabisch, …, Tamilisch und Marathi, die letzteren beiden sind indische Sprachen.
Noel Botham [2] beschreibt in seinem „Book of useless information“ dass Honigwein im antiken Babylon als offizieller Hochzeitstrank galt. Nach babylonischen Recht mussten die Brauteltern den Bräutigam nach der Hochzeit einen ganzen Monat lang mit Met versorgen, um ihn bei Laune zu halten. Ich glaube, das ist die richtige Spur.
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“Attila wird am Morgen nach seiner Hochzeit im Blut erstickt aufgefunden”. Julius Naue (1833–1907). Quelle: |
Übrigens: Bis zur Antike wurde das alkoholische Getränk aus Milch und Honig hergestellt.Wenn man jetzt bedenkt, dass auch die alten Hebräer den Honigwein geschätzt haben, dann ergeben sich durchaus neue mögliche Deutungen für die Verheißungen Moses, der die Israeliten in „das Land, in dem Milch und Honig fließen“ führte. Auch in Hebräisch gibt es das Wort „yerach d’vash“, was wörtlich übersetzt wird als „der Monat des Honigs“ im Leben eines jungen Paares.