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Vom Wunder des Schwärmens

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11. Juni 2023 von Marzellus

Es ist jedes Mal ein spektakuläres Naturereignis, wenn ein Bienenschwarm seine Beute verlässt, um zusammen mit der alten Königin ein neues Volk zu gründen. Der Zeitpunkt des Schwärmens ist gekommen, wenn eine junge Königin kurz vor dem Schlüpfen steht und die Witterung günstig ist für den Umzug in eine neue Bienenwohnung.

Als Imker erlebt man den Auszug eines Schwarmes eher selten. Denn man versucht in der Regel, das Schwärmen zu steuern oder auch ganz zu verhindern. Das gilt bis heute als „gute imkerliche Praxis“. Doch man kann das auch anders sehen. Das Schwärmen des Biens ist auch eine starke Maßnahme gegen den Varroadruck. Ein geschwärmtes Volk lässt über zwei Drittel des Varroabefalls hinter sich. Im Volksteil, der zurück bleibt, entsteht eine Brutpause. Die nachwachsende Königin, die bei Schwarmbeginn ja meistens noch nicht geschlüpft ist, legt ja nicht sofort befruchtete Eier. Erst muss sie ihren Hochzeitsflug machen um begattet zu werden, und auch nach ihrer Rückkehr in den Bienenstock dauert es noch eine Weile bis ihre Legetätigkeit beginnt. Die Folge ist, dass auch der Vermehrungszyklus der Milbe unterbrochen wird.

Eher schon erlebe ich als Hobbyimker, dass ich gerufen werde, um Bienenschwärme einzufangen, die sich an Ästen oder Sträuchern vorübergehend niedergelassen haben, während ausgeschwärmte Suchbienen nach einer geeigneten neuen Unterkunft Ausschau halten.

Jetzt, Ende Mai bis Ende Juni ist auch bei uns in der Eifel die Schwarmzeit angekommen. Schon zweimal wurde ich gerufen um irgendwo ausgezogene Schwärme zu bergen. Jedesmal erzählen mir die Menschen, wie sich die Ankunft des Schwarmes mit einem lauten Brausen ankündigt, weil sich unzählige Bienen in der Luft befinden, bevor sie sich zur Beratung niederlassen. Doch ich will den Vorgang des Schwärmens gar nicht weiter beschreiben. Das hat für mich keiner besser gemacht als der belgische Literaturnobelpreisträger Maurice Maeterlinck in seinem Buch mit dem schlichten Titel: „Das Leben der Bienen“

„In dem Augenblick, wo dieses Zeichen gegeben wird, scheinen sich alle Thore der Stadt mit einem Male zu öffnen, wie von einem plötzlichen, irren Stosse, und die schwarze Menge strömt oder vielmehr stürzt heraus, je nach der Anzahl der Öffnungen in einem doppelten, dreifachen oder vierfachen, geraden, straffen, zitternden und ununterbrochenen Strahle, der sich alsbald in der Luft zu einem summenden Netze von hunderttausend wild schwirrenden, durchsichtigen Flügeln zerteilt. Einige Minuten schwebt dieses Netz über dem Bienenstock wie ein durchsichtiges, knisterndes Seidengewebe, das tausend und abertausend elektrisch bewegte Hände unaufhörlich zerreissen und wieder zusammenfügen; es schwankt hin und her, stockt und wallt von neuem zwischen den Blumen der Erde und dem Blau des Himmels auf und nieder, wie ein Schleier der Freude, den unsichtbare Hände beständig schwenken, zusammenraffen und wieder entfalten, als feierten sie die Ankunft oder das Scheiden eines hohen Gastes. Endlich senkt sich einer der Zipfel, ein andrer hebt sich, die vier sonnenglänzenden Enden des schimmernden Mantels stossen zusammen, und wie ein Zaubertuch im Märchen, das den Horizont durchsegelt, um irgend welche Wünsche zu erfüllen, steigt der Schwarm, bereits wieder geballt, nach dem nächsten Linden-, Birnen- oder Weidenbaum auf, um die heilige Trägerin der Zukunft wieder mit seinen Leibern zu bedecken. Denn die Königin hat sich dort bereits angesetzt, wie ein goldener Nagel, an den sich nun die brausenden Wellen des Schwarmes eine nach der andern anhängen, bis rings herum sich ein flügelglänzender Perlenmantel schlingt.

Dann wird es plötzlich still, und das laute Brausen dieser sonnenverfinsternden Wolke, die aus unendlichem Zorn und unzähligen Drohungen gewebt schien, der betäubende Goldhagel, der unaufhörlich über der ganzen Umgebung schwebte und tönte, verwandelt sich eine Minute darauf zu einer grossen, harmlosen und friedlichen Traube von tausend und abertausend kleinen, lebenden Beeren, die unbeweglich an einem Baumzweige hängt und geduldig auf die Rückkehr der Spürbienen wartet, die eine neue Wohnung auskundschaften.“

https://www.gutenberg.org/files/61584/61584-h/61584-h.htm

Beitragsbild: Bild von M. Roth auf Pixabay

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