Honig von hier
Hinterlasse einen Kommentar2. Juli 2022 von Marzellus

Ich schenke mir regelmäßig die Honiganalyse. Die Bieneninstitute verlangen für das volle Programm inzwischen 125 Euro. Ich muss dieses Jahr 3 mal abschleudern, so wie sich das Jahr entwickelt, das wären dann 375 Euro für die Analyse. Als kleiner Standimker kann ich mir eine bessere Verwendung für dieses Geld, mit dem ich mein Hobby finanziere, vorstellen.
Von dem Konzept der Sortenhonige halte ich persönlich ohnehin nicht viel. Ich stelle mir jedes Jahr die Frage, warum Sortenhonige im Allgemeinen als die “besseren Honige” bewertet werden. Klar, ihre Geschmacksnoten sind eindeutiger als die der Blütenhonige. Aber sind ein gleichbleibender Geschmack und eine gleichbleibende Konsistenz wirklich Kriterien für Qualität? Sind das nicht völlig überflüssige Konzessionen an den allgegenwärtigen Trend zur geschmacklichen Standardisierung, der sich im Zeitalter der industriellen Nahrungsmittelproduktion entwickelt hat?
Ich bringe diesen Trend auf den Begriff Cocacolaisierung des Geschmacks. Überall auf der Welt, wo du die koffeinhaltige Zuckerplörre antriffst, muss sie gleich schmecken, das ist das Erfolgsrezept des amerikanischen Konzerns. Dafür ist mir mein Honig eigentlich zu schade.
Nehmen wir mal das Thema Rapshonig. Raps ist in weiten Teilen Deutschlands die Frühjahrstracht Nummer Eins. Kaum ein Imker kann den aus seiner Schleuder raushalten, will es vielleicht auch gar nicht. Selbst bei uns im Naturpark Nordeifel wird die Nutzpflanze angebaut. Viele meiner Kunden Honigkunden lieben ihn und in der Rapsblute fliegen auch meine Bienen drauf und lassen alles andere dafür links liegen.
Doch die Sortenbezeichnung „Rapshonig“ halte ich für ein zweischneidiges Schwert. Die Bauern behandeln die Pflanze mit bis zu 5 Giftspritzungnen, bei denen immer die Gefahr besteht, dass die Biozide über den Nektar auch als Rückstände in den Honig geraten. Da ist man ganz der Praxis der Bauern ausgeliefert und darauf, dass sie die Spritzmittel auch so ausbringen wie es in der Zulassung bestimmt ist.
Davor kann sich selbst der zertifizierte Bioimker nicht schützen. Das gleiche gilt auch für andere Honigsorten, die auf die Nektarressourcen von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen angewiesen sind. Da besteht immer im Gefahr, dass Ackergifte mit eingetragen wurden.
Mischhonige, also die Blütenhonige aus der Frühtracht oder der Sommertracht, haben gegenüber den Sortenhonigen eine weitaus höhere aromatische Komplexität. Trotzdem werden sie, ich meine zu Unrecht, als “Wald- und Wiesenhonige” abgewertet.
Blütenhonige sind der geschmackliche Ausdruck der botanischen Vielfalt einer Region. Das Wetter, die kleinräumige Vegetation und die davon abhängige Blütenfülle bestimmen die Aromen eines Honigjahrgangs. Die klimatischen, botanischen und die ökologischen Gegebenheiten im Sammelradius der Bienen sind entscheidend für die Eigenart des hier geernteten Honigs und damit auch für seine geschmacklichen Besonderheiten.
Der Kunde mag das anders sehen, aber der definitiv „sauberere“ Honig in meiner Region ist der Blütenhonig, egal ob als Frühtracht, als Sommertracht oder auch als Spättracht. Statt plakativ um eine Sortenbezeichnung bemüht zu sein, kann ich dem Kunden versuchen zu kommunizieren, dass der Honig der ersten Schleuderung vor allem auf dem eingetragenen Nektar von Löwenzahn, Spitzahorn, Wiesenschaumkraut, Wildhecken und in diesem Jahr auch von Raps zusammengesetzt ist. Das sind die in der Nordeifel wichtigsten Frühblüher. Dann würden sich natürlich auch Anteile von Obstblüte, am häufigsten Apfel und jede Menge Wildkirschen in einer gründlichen Pollenanalyse feststellen lassen und jede Menge Wildblumen, wie z.B. der Storchschnabel, der fleißig von den Honigbienen beflogen wurde und der immer im Mai sehr üppig bei uns blüht. Neben dem Raps ist mein erster Honig also eine bunte Melange aus den Nektaren eines bunten Straußes von Frühblühern, die so gut wie keine Chemiebehandlung erfahren haben.
Eine solche Differenzierung kann ich auch hinsichtlich der Sommertracht bis Anfang Juli machen. An meinem Wohnort in der Naturschutzgemeinde Nettersheim wachsen ziemlich viele Linden, die dieses Jahr wegen des feuchtwarmen Wetters kräftig honigen. Wenn ich angesichts schon wieder vollgetragener Honigräume nächste Woche wieder schleudern werde, erfüllt der Honig vielleicht nach einer Pollenanalyse die Kriterien für Lindenblütenhonig. Aber nach der Rapsblüte haben die Bienen ja auch die inzwischen verblühten Kastanien beflogen und die bunt blühenden Hausgärten, die es bei uns im Dorf ja auch gibt. Und in den Kahlflächen der abgetriebenen Fichtenkulturen, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind, blüht jetzt üppig das Schmalblättrige Weidenröschen. Dessen zahlreiche Blüten sind eine gute Bienenweide und werden gerne von Honigbienen beflogen.
Ende Juli werde ich wahrscheinlich noch einmal abschleudern müssen. Der Hochsommer verspricht heiße Temperaturen. Das ist zusammen mit trockener Hitze die beste Voraussetzung für die Ernte von Blatthonigen. Da steht bei mir in der Nordeifel eine Vielzahl von Baumarten dicht bei dicht, die eine gute Honigtauernte in Aussicht stellen. Diesen Honig könnte ich dann mit Fug und Recht Waldhonig nennen. Der muss ja nicht unbedingt aus dem Schwarzwald kommen. Eine waldreiche Gegend wie die im Flugradius meiner Bienenvölker ist mir am Ende sogar lieber, weil hier nicht überwiegend Honigtau von Tannen und Fichten eingetragen wird. Und auch hier gilt: Der Artenreichtum eines Waldes bestimmt den Charakter des Honigs und seinen Geschmack.
Während ich das hier schreibe, befinde ich mich auf einem Wochenendausflug nach Bad Nauheim. Wie immer interessieren mich auch hier die Honigpreise. Der Renner in dem Feinkostladen, den ich besucht habe ist der „Bad Nauheimer Stadthonig“. Vertrieben wird er ausschließlich in 250 Gramm Gläsern, das Glas zu 6,90. Den stolzen Preis, so erklärt mir der Inhaber, bezahlen seine Kunden ohne zu meckern. „Die meisten wollen ein Produkt, das aus der Region kommt, von Ihrem Kuraufenthalt als Geschenk mit nach Hause bringen.“
So hält fast jede Gegend ein Argument für den Privatvertrieb des Imkers bereit und könnte darauf setzen, dass die Losung „Honig von hier“ beim Kunden ankommt. Frühtracht, Spättracht, Waldtracht natürlich aus dem Naturpark Nordeifel mit eigenem Etikett, scheint für mich eine bessere Benennung als „Deutscher (Sorten) Honig im Einheitsglas des DIB.