Wildfrüchte
Hinterlasse einen Kommentar28. September 2020 von Marzellus

Schwarzdorn und Weißdorn – auch wenn ihre Namen vielleicht eine nahe Verwandtschaft andeuten, handelt es sich bei den dornenbewehrten Sträuchern um Vertreter botanisch völlig unterschiedlicher Pflanzengruppen. Innerhalb der großen Familie der Rosengewächse gehört die lokal auch „Bitterpflaume“ genannte Schlehe zu den Steinobstgewächsen . Verwandschaftlich näher steht dem Weißdorn der Apfel oder die Birne. Alle drei Genannten sind Kernobstgewächse.
In den unbewirtschafteten, kalkhaltigen Böden der „Kalkeifel“ gedeihen beide Pflanzen ausgezeichnet und tragen in diesem Herbst reichlich Früchte. Die sind ein gutes Futter für zahlreiche hier überwinternde Vogelarten. Die Schlehe zählt zu den wichtigsten Wildsträuchern für Tiere. Etwa 20 Vogelarten bietet sie Nahrung und Schutz zwischen ihren dornigen Ästen.
Ebenso wertvoll erweist sich auch der Weißdorn als Lebensraum und Futterpflanze für zahlreiche Schmetterlinge, Insekten und heimische Vögel. Bei aller Freude über den üppigen Früchtebehang der beiden Sträucher dürfen wir nicht vergessen, dass sie das ganz wesentlich dem segensreichen Werk ihrer Bestäuber verdanken.
Beide Dornenträger öffnen ihre Blüten zwischen Ende April und Anfang Mai. Ihr reinweißer Blütenschmuck ziert im Frühjahr die Böschungen, Raine und Waldränder. Und diese Blütenfülle schreit nach Bestäubung. Ohne unsere Honigbienen blieben viele Blüten unbesucht .Die Volksentwicklung in den Bienenstöcken nimmt in der Zeit der Wildobstblüte rapide zu. Ein einziges Bienenvolk bestäubt dann täglich 40 Millionen Blüten. Wenn sich die Sammelbienen einmal auf eine Bienenweide eingeflogen haben, dann garantiert das den besten Bestäubungserfolg.
Wildbienen können das so gar nicht leisten. Im Gegensatz zu den Hummeln ist die Honigbiene „blütenstet“, wie wir Imker sagen. Auch wenn Weißdorn und Schwarzdorn so nahe beieinander stehen wie das Bild es zeigt, sammelt die Honigbiene nur an einer Pflanzenart. Wildbienen einschließlich der Hummeln gaukeln dagegen von Pflanze zu Pflanze. Für sie ist Sammeleffizienz eher unwichtig, denn sie brauchen für ihre Überwinterung keine Honigvorräte anzulegen und leben mehr oder weniger von der Hand in den Mund.
Gelegentlich liest man, dass Honigbienen Nutztiere seien, die den Ernteerfolg der Obstbauern garantieren sollen. Deshalb spricht man ihnen die Eigenschaften der Wildinsekten ab. Und die Imker werden als Honigräuber diskreditiert, die ihre Bienen alles andere als „artgerecht“ halten. Das ist eine falsche und sehr einseitige Bewertung der Leistungen der Honigbienen für die Natur. Und auch dem Beitrag der Imker für den Erhalt der Wildpflanzen und der damit vernetzten Tierarten wird man nicht gerecht.
Richtig ist, dass Honigbienen in früheren Zeiten einmal massenhaft als Wildbienen lebten in Baumhöhlen und Felsnischen. Wegen des hohen Parasitendrucks durch die eingeschleppte „exotische“ Varroamilbe und weil man ihre Wildhabitate vernichtet hat, braucht die Honigbiene heute die Hilfe der Imker. In einer auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Forstwirtschaft haben hohle, absterbende Bäume keinen Platz. Ohne die Imker kann sie bei uns in Europa nicht mehr überleben.Schwarzdorn und Weißdorn zeigen stellvertretend für viele andere wild wachsende Blühgewächse, dass die Abwesenheit von Honigbienen ein gewaltiger Verlust für die Nahrungsketten und -netze in der Natur wäre.