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„Ach wie gut, dass niemand weiß…“

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18. August 2018 von Marzellus

troubadourDer Minnesänger Oswald von Wolkenstein soll den Satz geprägt haben: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ –  Heutzutage hört man so manches Lied, von dem man gerne wüsste, wer den Text dazu in Auftrag gegeben hat. Und es kostet einige Mühe, wenn man das herausfinden will. Denn selten kann man an ihren Kleidern erkennen, welchem Herrn  Politiker wirklich dienen. Eher schon an ihren Worten. Und das gilt nicht allein für die politisch Etablierten.

„Wir werden sie jagen“ versprach AlexanderGauland 2017 seinen Anhängern nach der Bundestagswahl. Und tatsächlich scheint es so, dass das aktuelle politische Agenda-Setting wesentlich von den ausländerfeindlichen Hetzkampagnen der AfD bestimmt wird. Als der ZDF Moderator Thomas Walde  das diesjährige mediale Sommerloch dazu nutzte, der politischen Rechten in Bezug auf Themen jenseits von Zuwanderung und Flüchtlingen auf den Zahn zu fühlen, zeigte sich, dass Politikfelder wie Soziales oder Umwelt bei der Partei der Hetzer nicht wirklich existent sind, und dass sie ganz offen aber keineswegs zufällig die fragwürdigen Positionen „interessierter Kreise“ propagieren.

Zum Klimawandel und zur aktuellen Klimapolitik befragt, war Gaulands Antwort: „Wir glauben nicht, dass das sehr viel mit dem CO2-Ausstoß durch die Industrieproduktion und durch menschliches Tun zu tun hat. Wir hatten früher Heißzeiten, wir hatten früher kalte Zeiten, längst vor der Industrialisierung. Ich glaube nicht, dass es gegen den Klimawandel irgendetwas gibt, was wir Menschen machen können.“

Es überrascht nicht, dass Gauland trotz erschlagender wissenschaftlicher Belege für einen menschengemachten Klimawandel nichts „weiß“, sondern „glaubt“, und dass er sich nicht ganz zufällig bei dem kleinen aber einflussreichen Häuflein der „Klimawandelleugner“ einreiht.

Dahinter steckt mehr als nur eine verantwortungslose Ignoranz. Die Einlassungen Gaulands zum Klimawandel reflektieren den organisierten skrupellosen Wirtschaftslobbyismus gegen das „öffentliche Wohl“. Wenn man der Frage nachgeht, welche Interessengruppen in Deutschland hinter der Szene der so genannten „Klimaskeptiker“ steckt und wie Politiker unterschiedlichster Lager sich deren Klimadeutung zu eigen machen, stößt man schnell auf das „Europäisches Institut für Klima und Energie“, kurz EIKE.  Der Präsident heißt Holger Thuss (CDU). Der ist „Gründer von CFACT Europe, dem Ableger des amerikanischen „Committee for a constructive tomorrow“, das 2008 mit fast 600.000 Dollar zu den größten Spendenempfängern des Ölkonzerns ExxonMobil gehörte.“ schreibt der BUND über die Lobbyorganisation. Zwar beteuert EIKE  kein Geld von Konzernen zu erhalten. Nachprüfen lässt sich das aber nicht, denn in Deutschland müssen sogenannte Think-Tanks ihre Geldgeber nicht offenlegen.

 Der Vizepräsident des dubiosen Instituts mit dem wichtigtuerischen Namen ist ein gewisser Michael Limburg. Gelegentlich sieht oder hört man den bezahlten Klimawandelleugner auch im öffentlich rechtlichen Rundfunk, wo man ihm wegen einer meiner Meinung nach falsch verstandenen „journalistischen Ausgewogenheit“ immer mal wieder ein Forum gibt, auf dem er seine schrägen Thesen zum Thema Klimawandel vortragen kann. AFD-Mann Limburg, und hier schließt sich der Kreis, ist Mitglied des Fachbeirats Energiepolitik der Alternative für Deutschland. Bei der Bundestagswahl im Jahr 2017 kandidierte Limburg für die AfD Brandenburg auf Platz zehn der Landesliste für einen Sitz im Bundestag.

Und es gibt noch weitere interessante Querverbindungen in der organisierten Szene der „Klimaskeptiker“. Auf der Seite Lobbypedia lese ich: „EIKE arbeitet eng mit dem Institut für Unternehmerische Freiheit (IUF) zusammen, das in Klima- und Energiefragen ähnliche Positionen vertritt. Mit diesem neoliberalen Netzwerk organisiert EIKE seit 2009 regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen, so die 7. Internationale Klima- und Energiekonferenz vom 10. April 2014 und die 9. Internationale Klima- und Energiekonferenz vom 11. Dezember 2015″.  Man reibt sich die Augen: Gibt es bei den Leugnern des Klimawandels in der AfD sogar peinliche Querverbindungen zur Friedrich Naumann Stiftung, der Parteistiftung der FDP? Es sieht so aus.

Da haben wir in der Tat einen wahrhaft bemerkenswerten Club der Klimaleugner. Inspiriert und finanziert von Konzernen und amerikanischen Milliardären führen sie mit Verleumdung und der Verbreitung alternativen Fakten einen irritierenden Meinungskrieg gegen wirkungsvolle Maßnahmen im Klimaschutz. Sie  sind sich dabei nicht zu schade, die Anhänger der AfD hinter sich zu scharen und deren politische Führung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die „Klimalüge“, wie es die Typen nenen, passt ins Konzept der allgemeinen Verunsicherung. Ziel ist es, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft, der Medien, der Institutionen und der etablierten Parteien zu untergraben.

Dass wir es nicht mit einem seriösen Verein zu tun haben ist offenkundig. „Obwohl in den meisten Fällen fachfremd, stellen sie eine breite Palette an Gegenthesen zum heutigen Kenntnisstand der Klimaforschung auf. Der Ton, den die „Klimawandelskeptiker“ in der Auseinandersetzung mit der Klimawissenschaft anschlagen, geht nicht selten über das Maß einer sachlich-kritischen Diskussion hinaus“ schreibt das Umweltbundesamt in einer Broschüre über diese Gruppe.

EIKE hat sich zur Aufgabe gemacht, gezielt Zweifel am Kenntnisstand der Klimawissenschaft zu verbreiten und  die Autorität anerkannter Klimawissenschaftler in Misskredit zu bringen. Medien wie das ZDF, die den Klimawandel ins öffentliche Bewußtsein bringen, werden als „Zentrales Desinformations Fernsehen“ oder als „Zwangsgebührenfinanzierte, desinformierende Falschmelder“  verunglimpft. Wettermoderator Sven Plöger wird als „Klimamessias“ beschimpft, der „Klimaalarmagitation“ betreibt, den Wissenschaftsmoderator und Astrophysiker Harald Lesch nennt man einen „Klimaalarmisten“ und Bürger,  die sich in Sachen Klima informieren wollen, bespöttelt man mit Sprüchen wie: „Heutzutage geht der treue Unter­tan zur Bürgeruni, um seine konforme Desinfor­mation zu empfangen.“

Hier spricht die AfD!?! Das könnte aber auch O-Ton Donald Trump sein. Das rhetorische Grundmuster ist das Gleiche. „Medien sind die Feinde des Volkes!“ – „Es ist Ende Juli und echt kalt draußen in New York. Wo zum Teufel ist die Erderwärmung? Wir brauchen dringend was davon. Jetzt heißt das Klimawandel.“

Nur das Feindbild ist etwas anders: „Das Konzept der Erderwärmung wurde von und für Chinesen geschaffen, um die amerikanische Produktion wettbewerbsunfähig zu machen.“ sagt Trump. Hierzulande sind es diejenigen, die von der Wirtschaft in Sachen  Klima und  Umweltschutz Verantwortung einfordern. „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit,“ behauptet ausgerechnet das AfD-gesteuerte EIKE, und verbellt alle, die der Wirtschaft mehr Umweltvorsorge abverlangen wollen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“

„Rettet den Diesel“, „Weist randalierende Kohlegegner in die Schranken“, „Gebt die Klimaschutzziele 2030 wegen erwiesener Nutz- und Wirkungslosigkeit auf“ – so lauten die Parolen der AfD im Bundestag und in Länderparlamenten, wo sie sich für einen „neuen Klimarealismus“ stark machen, der den Konzernbossen so gefallen würde.

Und unsere Parteien setzen dem wenig entgegen. An erster Stelle wäre hier ja mal Transparenz gefragt und die Bloßstellung der Hintermänner und ihrer erkennbaren Interessen bei solchen Desinformationskampagnen. Es ist eine Schande für Deutschland, dass überraschende und peinliche Zusammenhänge und unappetitliche Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft verschleiert werden.  Als Wähler will ich wissen, aus welcher Ecke die alternativen Fakten kommen, die uns Bürger verunsichern und manipulieren wollen. Und das nicht nur, wenn es um das Thema „Klima“ geht. Hierhin gehören auch Kungeleien mit der Autoindustrie, den Stromkonzernen oder der Agrochemielobby.

Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, aber die Politik tut wenig dafür, den Einfluss von Interessengruppen auf die Entscheidungen unserer Parlamentarier durchsichtig zu machen. Bisher wurden Anträge für ein offizielles Lobbyregister von den Volksparteien im Bundestag abgeschmettert. Und da steckt erkennbar die CDU/CSU dahinter. Und die SPD macht weiter mit. In einem Vertragsentwurf zum Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD hieß es Anfang 2018 auf Vorschlag der SPD noch: „Wir wollen mit einem verpflichtenden Lobbyregister Transparenz schaffen, ohne wirksames Regierungshandeln oder die freie Ausübung des parlamentarischen Mandats einzuschränken.“ Kurz vor dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen im Februar 2018 wurde dieser Satz  gestrichen.

Transparenz ist offenbar nicht erwünscht! Danke GroKo, auch ihr zeigt hier nicht unbedingt, dass ihr eurem Volk dient, sondern stattdessen die Strippenzieher hinter eurer Politik deckt. Will man sich so die Aussicht auf einem lukrativen Aufsichtsratsposten nicht vermasseln, sollte man einmal abgewählt werden?  „Ach wie gut, dass niemand weiß, wie das Rumpelstilzchen heißt!“

So bin ich darauf angewiesen, mir selbst ein Bild von den unsere Demokratie gefährdenden Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft zu machen, und das ist sehr mühsam!

 

 

 

 

Ein Kommentar zu “„Ach wie gut, dass niemand weiß…“

  1. helgabien sagt:

    Hallo Marcellus, du hast ja wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen. In Österreich ist es nicht viel anders. Da werden die Tempolimits auf Autobahnn erhöht, obwohl man ja angeblich den CO2- Ausstoß senken wollte. Na ja, die Wählerstimmen sind´s!

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