Wen interessiert schon Klimaschutz?
Hinterlasse einen Kommentar12. August 2018 von Marzellus
Ist das, was wir in den letzten Wochen an Wetter erleben, noch Hitze oder schon Klimawandel? Spaßsender wie Eins-Live oder RPR verknüpfen das Dauerhoch über Europa mit Begriffen wie Biergartensommer oder Jahrhundertsommer mit Baggerseewetter.
Sorgen ums Klima macht man sich dagegen beim Deutschen Gemeinde- und Städtebund. So fordert man in einem Positionspapier angesichts der diesjährigen Extremwetterlage ein Miliardenprogramm, das den Kommunen helfen soll, eine nachhaltige Verkehrswende in unseren Städten einzuleiten. Schließlich trägt unser Mobilitätsverhalten erheblich zum Klimawandel bei. Die Verdopplung der Mittel des Fonds nachhaltige Mobilität in der Stadt solle auf insgesamt eine Milliarde Euro steigen, um die dringend notwendige Verkehrswende zu unterstützen. Eine echte Verkehrswende könne nur mit einer dauerhaften fiskalischen Unterlegung gelingen.
Nachdrückliche Unterstützung erhält die Forderung der Kommunen auch durch die jüngste Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung zu den Risiken einer weiteren Erderwärmung. Das renommierte Institut, das sich aus Landes- Bundes- und EU Mitteln finanziert, warnt: Die globale Erwärmung auf lange Sicht bei 1,5°C bis 2°C zu stoppen, könnte schwieriger sein als bisher angenommen. Selbst bei Umsetzung der im Pariser Abkommen festgelegten Pläne zur Minderung von Treibhausgasemissionen bleibe ein Risiko, dass der Planet durch verschiedene Rückkopplungsprozesse in einen Zustand gerät, den die Forscher als „Hothouse Earth“ bezeichnen. Das Stichwort „Kipppunkte“ macht seither die Runde in der öffentlchen Diskussion.
Auch das Potsdam Institut macht seit Jahren konkrete Vorschläge, was jetzt zu tun sei, um einem weltweiten Klimadesaster gegenzusteuern. Um die Chancen zur Vermeidung einer „Heißzeit“ zu verbessern, brauche es nicht nur eine entschlossene Minderung von Kohlendioxid- und anderen Treibhausgasemissionen. Auch erweiterte biologische Kohlenstoffspeicher, etwa durch ein verbessertes Wald-, Landwirtschafts- und Bodenmanagement, oder die Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie Technologien, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und unterirdisch zu speichern, können eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend sei jedoch, dass diese Maßnahmen auch durch grundlegende gesellschaftliche Veränderungen gestützt werden.
Für die angesprochenen gesellschaftlichen Veränderungen ist die Politik zuständig, wer sonst? Und auch für die Finanzierung. Die Bereitschaft des Wahlvolks hierfür ist da. Schon im vergangenen Jahr waren 68 % der Deutschen der Meinung, dass besserer Klimaschutz auch etwas kosten darf und erklärten sich sogar bereit, mehr für eine Energiewende zu zahlen.
Aktuell sind 65% der Bundesbürger wenig bis gar nicht zufrieden mit der Klimapolitik made in Berlin. Die Rolle des Klimapioniers hat Deutschland längst an andere abgegeben. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass hierzulande vor allem die Haushaltspolitiker den Säckel zuhalten, wenn es um konkret greifbare Fortschritte beim Klimaschutz geht statt um vage Absichtserklärungen.
Auf eine Interviewfrage im Sender WDR5 vom vergangenen Mittwoch, ob er auf den Beweis, dass die Warnungen renommierter Wissenschaftler zutreffend seien, wirklich warten wolle, antwortet der haushaltspolitische Sprecher der SPD im Deutschen Bundestag, Johannes Kahrs: „Die Erkenntnisse sind alle auch nicht neu. Hat auch bis vor einem Jahr nicht wirklich viele wirklich interessiert.“ Richtig, wir diskutieren das Thema weltweit seit dem Umweltgipfel von Rio und das war vor mehr als einem Viertel Jahrhundert. (Juni 1992) Richtig auch: Außer Spesen, nichts gewesen!
Das Anliegen der Kommunen bürstet er als einen „ein bisschen unanständigen“ Schnellschuss im Sommerloch ab.
Das Beispiel zeigt, dass klimapolitische Borniertheit nicht ein Alleinstellungsmerkmal von aktueller US-Politik ist. Das gibt es auch bei uns. Und das leider nicht nur bei den Hinterbänklern im Berliner Reichstag. Wen wundert es da noch, dass auch das Thema Klima baden geht.