“ein gesunder zaan keuet aus einem stücke brod ein marcipan”
27. Januar 2017 von Marzellus
Meine Bienen und ein Walnussbaum, der im Herbst seine Früchte in den Garten meiner Tochter fallen lässt, liefern die Zutaten für ein Produkt, das früher einmal nur Kalifen, ihren Haremsdamen und in Europa den Königen als Näscherei vorbehalten war. Aus den beiden Rohstoffen Honig und Walnussmehl mache ich das Marzipan für meine Honigpralinen, die als kleine Geschenke immer gut ankommen.
Eigentlich ist die Herstellung der edlen Leckerei ganz einfach. Ich knacke 200 Gramm Walnüsse, zermahle sie und verknete sie mit 100 Gramm Honig zu einem Teig. Voila! Das war’s eigentlich schon. Wenn man will, kann man noch Aromastoffe, zum Beispiel Bittermandel oder Rosenwasser einkneten. Aber ich liebe das Honigaroma, das ich überhaupt nicht verfremden oder überlagern will.
Die fertige Marzipanmasse rolle ich mit einem Stück Backpapier oder einer Silikonmatte zu einer etwa 2 Zentimeter gleichmäßig dicken Marzipanrolle aus, denn ich will sie zu meinen Honigpralinen weiterverarbeiten. Der Teig kommt jetzt für etwa eine Stunde in den Kühlschrank. Dann lässt er sich besser weiterverarbeiten.
Die Rolle schneide ich dann in ca. fünf Millimeter dicke Scheiben. In die Mitte der Scheiben lege ich eine getrocknete Granberry, um damit einen kleinen geschmacklichen Kontrapunkt zu der honigsüßen Pralinenhülle zu setzen.
Die so belegten Marzipanscheibchen rolle ich in meiner Handfäche zu kleinen Kugeln, die ich danach mit geschmolzener Schokolade kuvertiere. Bevor die Schokolade wieder erstarrt, kullere ich die Marzipanbällchen in einer kleinen Schüssel durch Blockschokoladenstreusel, oder fein gehackte Nüsse, Kokosstreusel oder Pistazien. Dann muss nur noch die Schokolade kalt werden und wieder aushärten und die Honigpralinen sind fertig.
Nach dem deutschen Lebensmittelbuch ist Rohmarzipan seit 1965 als ein Produkt aus Zucker und Mandeln definiert. Das mag ja im Sinne der Zucker- und Süßwarenndustrie sein, und auch den Erwartungen der Verbraucher entsprechen, aber kulturhistorisch betrachtet ist eine solche Begriffsverengung ein Modernismus.
Marzipan kann man im Prinzip mit allen Nüssen herstellen. Erfunden wurde das Marzipan vor über 2000 Jahren in Indien, wo man heute noch neben Mandeln traditionell auch Cashewkerne zusammen mit Honig oder Zuckersirup zu Marzipan verarbeitet. Das billigere Persipan wird sogar mit den leicht giftigen Aprikosenkernen hergestellt, die als Ersatz für die teureren Nüsse verarbeitet werden.
Das Rezept für Marzipan ist in Deutschland erst seit dem 15. Jahrhundert überliefert. Hergestellt wurde das orientalische „Haremskonfekt“, wie es in Thomas Manns „Buddenbrocks“ genannt wird, hierzulande zu besonderen Anlässen, etwa einer Kindstaufe. Man schickte es zum Beispiel den „Gevattern“, das sind die Paten, als Dankgeschenk für ihren besonderen Aufwand, den sie bereit waren für ihre Schützlinge zu übernehmen. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein versuchten reiche Bürger und der Adel die süße Gabe aus Honig und Mandeln als ein Genussprivileg der Vornehmen zu verteidigen. „Handwerks- und gemeinen leuten aber sollen zu gevatterstücken marcipane durchaus verboten, auch sonsten ins gemein alle marcipane, welche biszhero bei austheilung der pfannenkuchen von etlichen mit beigelegt worden, abgeschaffet sein.“ hieß es noch in einer Verordnung der Stadt Leipzig aus dem Jahr 1701.
Damals war Marzipan aus Honig nur die Billigvariante der Süßigkeit. Ganz exklusiv wurde es, wenn der Honig durch Zucker ersetzt wurde, der zu den kostbarsten Handelsgütern aus dem Orient gehörte. Bis zum Ende des Mittelalters war der kristallierte Saft des Zuckerrohrs etwa 10 mal so teuer wie Honig. Anfang des 15. Jh. hatten 11 Pfund Zucker den gleichen Wert wie ein Pferd. Kaiser Karl IV. (1316-1378), der „erste Kaufmann auf dem Thron“, bekam 1368 in Siena mit Blattgold überzogene Marzipanbrote geschenkt. Kurfürst Johann von Sachsen ließ anlässlich des Reichstages zu Speyer 1526 Marzipan auftragen und Wallensteins General Tilly forderte von den neutralen Sachsen während des Dreißigjährigen Krieges 80 Pfund Marzipan als Tribut.
In Indien und im alten Persien verabreichten Ärzte aus Zucker oder Honig und Nüssen hergestellte Kuchen als Medikament zur Stärkung ihrer Patienten.
Das Rezept für Marzipan kam nach der Eroberung Persiens durch die Araber erst im 7/8. Jahrhundert nach Europa. “Marci pane” ist Italienisch und heißt „Brot des Heiligen Markus“. An den Namen des Produktes knüpft sich die Legende, dass der Schutzpatron der Stadt Venedig durch ein Wunder die Bewohner mit der edlen Leckerei vor einer Hungersnot gerettet hat. Ähnliche Wunder wurden einige Hundert Jahre später aus Lübeck und Königsberg berichtet, die mit diesem Plagiat im 15. Jahrhundert die Erfindung des Marzipans für sich reklamieren wollten.
In Deutschland ist das „Markusbrot“ erst seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Bevor es zur süßen Delikatesse der Privilegierten aufstieg, fand es sich im Deutschen Reich ganz im Sinne der persischen Tradition in der Klosterapotheke. Wöchnerinnen kamen damit nach der Geburt ihres Kindes schneller zu Kräften. Auch gegen Herzkrankheiten und einen „bösen Magen“ verabreichten Ärzte die Süßspeise: Von wegen “Medizin muss bitter schmecken, sonst nützt sie nichts!”
Seine Exklusivität verlor das Marzipan als 1747 der Berliner Chemiker Andreas Sigismund Marggraf den Zuckergehalt der Runkelrübe feststellte und so die Entwicklung von Zuckerraffinerien einleitete. Der aus zuckerreichen Rübensorten gewonne Süßstoff verdrängte von da an den Honig, und Marzipan wurde als Konsumprodukt auch für die unteren Gesellschaftsschichten erschwinglich.
Der Begriff Marzipan hat auch Eingang gefunden in die bildreichen deutschen Redensarten. Das Südhessische Wörterbuch hat den Zweizeiler festgehalten: “Rühr mich nedd on, ich bin aus Marzebohn”, was auf die kunstvollen Figuren hindeutet, die Konditoren aus der Marzipanmasse modellieren. Das Wort “Marzipanpuppe” bezeichnet ein beim Essen wählerisches Mädchen. Überliefert ist auch im Grimmschen Wörterbuch der Spruch: “ein gesunder zaan keuet aus einem stücke brod ein marcipan”, was weniger eine Empfehlung der Zahnärztekammer ist, sondern eine Alternative für diejenigen war, die sich das teure Marzipan nicht leisten konnten.
Liebe Leser, was macht ihr aus eurem Honig, außer ihn essen und verkaufen? Was sind eure Lieblingsrezepturen? Über ein paar Kommentare, entweder auf meinem Blog, oder auf facebook oder Google.plus würde ich mich sehr freuen.
An Weihnachten backe ich viel mit Honig. Das ganze Jahr über mache ich Honiggesichtscreme und Shampoo
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Hallo Marzellus,
das hört sich ja sehr lecker an …. da werde ich die Osterferien nutzen, um ein paar Honigpralinen fürs Osternest herzustellen – man könnte sie ja auch als Honig-Marzipaneier umwandeln.
Eine gute Zeit dir!
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