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Von Mao bis Monsanto – warum man aus Schaden nicht klug wird

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7. Dezember 2017 von Marzellus

china-mao-flohmarktDas Bienensterben gehört wie die Klimaveränderungen zu den schleichenden Umweltkatastrophen. Sie kündigen sich in lokalen Einzelereignissen an und erhalten erst Beachtung, wenn sich die angstmachenden Ereignisse häufen. Dann erst wird Ursachenforschung betrieben und es vergehen Jahre bis etwas Substanzielles passiert.

 

Wir erleben das Phänomen, dass die Menschheit durch Schaden nicht klug wird, zur Zeit in der Diskussion um das Insektensterben. Selbst wenn die Katastrophe offensichtlich wird reagieren die Hauptverdächtigen mit Abwiegeln, Herunterspielen und Bagatellisieren und werfen den Warnern Alarmismus vor. Dabei fehlt es uns ja nicht an Schulbeispielen dafür, dass kollektive menschliche Dummheit unbesiegbar ist.

Das bekannteste Bienen- und Insektensterben hat sich in den 1960er Jahren im kommunistischen China ereignet. Neben der menschlichen Tragödie endete Maos Kampagne gegen Ernteschädlinge in einer ökologischen Katastrophe, deren Folgen bis heute spürbar sind.  “Der große Sprung nach vorn” endete in einem Desaster für Umwelt und Menschen.

Am 13. Dezember 1958 schickte der “Große Steuermann” seine 600 Millionen Untertanen in einen grotesken „Krieg“ gegen die vorhandenen kleinbäuerlichen Strukturen auf dem Land. Sein Ziel war, den traditionellen Agrarstaat China in kürzester Zeit in ein Industrieland zu verwandeln. Teil des “großen Sprungs nach vorn” war Maos “Krieg gegen die Spatzen”. Das selbsternannte rote „Agrargenie“ vertrat die Auffassung, dass die gefiederten Volksfeinde Millionen Tonnen Ernte vernichten. Mit den Worten: „China muss zu einem Land werden, in dem es keine vier Schädlinge, keine Ratten, Spatzen, Fliegen und Moskitos gibt” rief der kommunistische Diktator auf dem Parteitag 1957 zur Massenhatz ausgerechnet gegen die Vögel auf, die massenweise Schadinsekten für das Getreide vertilgen. Die traditionelle konfuzianische Lehre, dass die Menschen ein Leben in Harmonie mit der Natur leben sollten, wurde als rückständig und konterrevolutionär verurteilt.

Maos Leitspruch: “Das Gewehr gebiert die Macht. Man kann die Welt nur mit Hilfe des Gewehrs umgestalten!”, hatte schon gegen Konterrevolutionäre und gerade gegen die Spatzen funktioniert. Gegen die Insekten griff man zu einer leicht abgewandelten Methode und ersetzte das Gewehr mit der chemischen Keule. Der Krieg gegen die Insekten wurde mit so viel Insektizideinsatz geführt, dass es in den betroffenen Regionen bis heute keine natürlichen Bestäuber mehr gibt.

Maos Spatzenkrieg endete in einem ökologischen Desaster. Nach einem erfolgreichen Vernichtungskrieg, in dem 2 Milliarden der putzigen Vögel erschlagen wurden, kamen die Folgeprobleme:  In einem China ohne Spatzen kam es zu Missernten, einer verheerenden Hungersnot und einer Insektenplage, wie das Reich der Mitte sie noch nicht gesehen hatte

„Die Dinge in der Welt sind kompliziert, sie werden von allen möglichen Faktoren bestimmt. Man muss die Probleme von allen Seiten betrachten und nicht nur von einer einzigen.” Auch das ist eine Mao Weisheit. Die Folgen der ökologischen Kurzsichtigkeit des “kommunistischen Kaisers” sind bis heute spürbar. In China stellen heute noch schlechtbezahlte Landarbeiter Leitern an Apfelbäume und bestäuben die Blüten mit Hilfe von Pinseln mit der Hand. Und bis heute haben sich die Spatzenbestände in China noch nicht erholt. Massiver Insektizideinsatz ist in China selbst heute noch Mittel der Wahl, wenn es um Produktionssteigerung in der Landwirtschaft geht.

Mao hätte wissen können, was passiert. Sein Spatzenkrieg war nicht der erste und nicht der letzte radikale Versuch, die Vernetzungen und wechselseitigen Abhängigkeiten in der Natur zu missachten. Friedrich II von Preußen und andere “Große” vor Mao mussten lernen, dass Radikallösungen gegen vermeintliche Plagen der Natur, in diesem Fall die Spatzen und Insekten, im Ergebnis teuer bezahlt werden. “Nur der Dumme muss alle Erfahrungen selber machen” sagt ein chinesisches Sprichwort.

Aber Maos desaströser Vorstellung von der Unterordnung der Natur unter sein politisches und ökonomisches Diktat zum Trotz stiften solche Vorstellungen von der Beherrschbarkeit der Natur in den Köpfen von Konzernmanagern und Agrarpolitikern weiter ökologisches Unheil.

“Aus Erfahrung wird man klug”. Solche Volksweisheiten gelten vielleicht für private Katastrophen aber nicht für das kollektive Handeln. Ökologische Vernunft versagt immer dann, wenn die Gier nach Ruhm, Macht oder Geld Verantwortung und Rücksichtnahme verdrängen.

Von Menschen ausgelöste ökologische Katastrophen hat es in der Vergangenheit schon viele gegeben. Manche waren lokale Desaster, wie der Dioxin-Unfall von Seveso 1976. Andere ökologische Katastrophen betrafen ganze Regionen, wie der Öltanker-Unfall Amoco Cadiz 1978 oder die nukleare Katastrophe von Tschernobyl 1986. Lehren wurden nur wenige gezogen. Trotz Seweso passierte das Chemieunglück in Bhopal 1984, trotz Amoco Cadiz strandete die Exxon Valdez vor der Küste Alaskas und der Tanker Prestige verseuchte 2002 die Nordwestküste Spaniens. Trotz Tschernobyl passierte Fukushima und bescherte der Welt eine weitere Region, die wegen ihrer Strahlenbelastung von Menschen nicht mehr bewohnbar ist.

Während es bei lokalen Katastrophen noch relativ leicht ist, die Ursachen und die Schuldigen zu ermitteln, fällt das bei globalen Katastrophen schwer. Statt echte und wirkungsvolle Strategien zu entwickeln, inszeniert man ein endloses Schwarzer-Peter-Spiel der Schuldzuweisungen und nichts passiert, um die sich abzeichnende Katastrophe zu verhindern.

Das Schlimme an solchen überregionalen und auch globalen Umweltkatastrophen ist, dass sie vorhersagbar sind. Trotzdem steuert man sehenden Auges auf sie zu, obwohl man es ja besser wissen müsste, vor allem, weil man ja auch schon historische Erfahrungen mit dem Thema hat.

Das aktuellste Beispiel: Bei einem Agrarkonzern wie dem amerikanischen Monsanto sollte man meinen, dass man die komplexen Lebenszusammenhänge in der Natur erkennen könnte. Doch wenn man mit der Behauptung, mit Genmais und Breitbandpestiziden könne man den Welthunger stillen, viel Geld verdienen kann, dann nimmt man auf ökologische Vernunft keine Rücksicht.

Wenn es darum geht, eigene wirtschaftliche Ziele durchzusetzen, versteht es der Konzern bestens, nicht nur Gene zu manipulieren. Seriöse Wissenschaft, die vor der Giftigkeit der chemischen Sprühmittel warnt, wird vom Konzernchef Hugh Grant kurzerhand als Junk Science bezeichnet. Statt auf Gutachten setzt man deshalb auf intensive Lobbyarbeit oder kauft kritische, unabhängige Institute einfach auf, um sie auf Firmenlinie zu bringen.

Die Monsantostrategie trägt ihre kapitalistischen Früchte. Bezahlt wird mit dem Verlust ökologischer Vielfalt und einer zunehmenden Abhängigkeit unserer Nahrungsproduktion von Weltkonzernen. Der Preis ist zu hoch!

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