Mein Haus, mein Garten, meine Regeln
Hinterlasse einen Kommentar14. September 2019 von Marzellus
Über Geschmack lässt sich nicht streiten, das wussten schon die alten Römer – „de gustibus non est disputandum“. Ich persönlich finde Schottergärten potthässlich. Wenn Eigenheimbesitzer ihre Vorgärten neuerdings mit mausgrauem Marmorkies, schwarzem Basaltsplitt, gletschergrauen Zierkies, oder rotbrauner Lava zuschütten, dann kann man das vielleicht praktisch und meinetwegen auch schön finden. Aber die Verschotterung der Hausgärten ist mehr als nur ein ästhetisches oder funktionales Thema.
Die meisten Menschen können Bäume nicht richtig benennen, Blüten nicht bestimmen und haben grundsätzlich Angst vor kleinen Tieren, die fliegend auf sie zukommen. Da darf es einen nicht wundern, dass ökologische Zusammenhänge in unserer Gesellschaft nicht mehr gesehen werden und der Sinn für die Notwendigkeit von Flora und Fauna in ihrer unmittelbaren Umgebung verlorengegangen ist. Gerade jetzt, wo wir ein galoppierendes Artensterben registrieren und über Klimaerwärmung besorgt sind, kommt der Verlust an Naturwissen und die fehlende Empathie für unsere Mitkreaturen uns teuer zu stehen.
Die Verschotterung von Vorgärten zeigt dabei auch ein anderes erschreckendes Phänomen. Ich nenne es mal „mangelnde Akzeptanz für eindeutige gesetzliche Regelungen“.
Deutlich zeigt sich das an der Aufforderung der Stadt Bonn an Hausbesitzer, ihre Schottergärten „rückzubauen“. In den „sozialen“ Medien reagieren viele Menschen mit Empörung über das Vorgehen der Kommune. Sie wollen nicht akzeptieren, dass „der Staat“ in ihre vermeintlichen Privatangelegenheiten eingreift. „Mein Haus, mein Garten, meine Regeln“ heißt die Devise. Dabei haben fast alle Landesbauordnungen seit langem festgelegt, dass die Überbauung von Privatflächen auch ein öffentliches Interesse berührt. Flächen in Baugebieten sind wasseraufnahmefähig zu belassen und müssen begrünt oder bepflanzt werden.
„Eigentum verpflichtet“ heißt es schon im Grundgesetz. Wer glaubt, er habe unumschränkte Entscheidungsmacht über sein Eigentum liegt falsch. Zu lange haben Verwaltungen den neuen Vorgartentrend einfach ignoriert statt bereits den Anfängen zu wehren.
In Zeiten des Klimawandels, der Überhitzung der Städte, des Insektensterbens, des Absinkens der Grundwasserpegels … müssen sich auch Hausbesitzer in die Pflicht nehmen lassen. Gerade in den Ballungsräumen ist jede nicht versiegelte Fläche im „allgemeinen Interesse“ zu schützen.
„Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ – mit dieser Einstellung werden wir die drängenden Umweltprobleme nicht lösen. Wir wollen natürlich alle eine intakte Natur. Aber dann müssen wir auch dort etwas ändern, wo wir es können.
Übrigens: Was auf den ersten Blick aus der Perspektive des Grundeigentümers als billige und pflegeleichte Lösung aussieht, ist eine trügerische Illusion. Schottergärten haben keine Zukunft, auch da wird sich auf Dauer die Natur durchsetzen. Nichts hat Bestand, das gegen die Regeln der Natur ist. Ich gehe viel zu Fuß, und da sehe und beobachte ich, was auf Schotterflächen spätestens nach dem ersten Herbst passiert. Der Laubfall sammelt sich zwischen den Steinen und die Humusbildung in den Steinritzen beginnt. Spätestens im folgenden Herbst fliegt Samen an und dann entwickelt sich auch allmählich auf den Schotterflächen wieder „Natur“. Die Sterilität und die Bahndammästhetik von Schotterflächen lässt sich auf Dauer nur mit dem Laubsauger und der Giftspritze aufrechterhalten. Doch auch da hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben, zumindest was die Ausbringung von Herbiziden in Privatgärten betrifft.
Dabei gibt es ja unproblematische Alternativen. Wer einen pflegeleichten Vorgarten haben will, der sollte die Fläche mit nährstoffarmen Sand abmagern und Küchenkräuter aussäen. Eine möglichst geschlossene Kräuterdecke sieht hübsch aus, ist wirklich pflegeleicht, hilft den Insekten und – last but not least – auch dem eigenen Gewissen.