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UFI im Gartenhaus

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21. Mai 2020 von Marzellus

UFIGartenhaus.jpg„Opa, du musst kommen! “ Der Hilferuf meiner Enkelin per Telefon klang dringend. Ein großes, unbekanntes Fluginsekt, das die Kleine bis dahin noch nicht gesehen hat, hatte begonnen im Gartenhaus ihrer Eltern an einer versteckten Stelle sein Nest zu bauen. Welches Insekt sich da zu schaffen machte, konnte ich nicht richtig erkennen. Aber es war etwas Großes, das konnte man im Halbdunkel der Bretterbeplankung sehen.

Schon im letzten Frühjahr waren Faltenwespen Grund für Aufregung im Gartenhaus. Damals konnte schnell Entwarnung gegeben werden. Die damals gefährlich erscheinende Wespenart war eindeutig ein Gartennützling, von dem keine Gefahr ausging, wenn man denn keine Fliege war.

Doch diesmal lag der Fall anders. Das Insekt, das sich hier seiner Wohnung einrichten wollte, war deutlich größer als eine Wespe und erzeugte beim Anflug einen tiefen Brummton.

„Mach das bitte weg!“, „Der Brummer verlässt meinen Garten nicht lebend!“ die Appelle meiner Tochter und meines Schwiegersohns waren eindeutig.

Als Opa kann man die Sorge um die Kinder natürlich verstehen. „Aber erst möchte ich wissen, was wir hier für ein Tier haben“ war meine Antwort. Dazu musste ich es fangen. So konnte ich nicht viel dazu sagen.

Kurzerhand ließ ich mir ein leeres Gurkenglas mit Deckel und einen Wassersprüher geben, mit dem ich das unbekannte Fluginsekt vorübergehend festnehmen wollte. Der Plan funktionierte. Mit nassen Flügeln war das Tier für einen kurzen Moment flugunfähig. Mit einem Stöckchen bugsierte ich den dicken Brummer in das bereitstehende Gurkenglas. Gesagt, getan, gefangen.

Aufgeregt mit den Flügeln schlagend, saß das Tier fest und konnte durch das Glas beobachtet werden. Erfolgreich habe ich meinen Ruf als Problemlöser-Opa verteidigt. Meine Enkel waren begeistert. Und sie haben eine kleine Lektion gelernt: Mit Tieren, die wir nicht kennen, darf man nicht gleich kurzen Prozess machen. Nun konnten wir gemeinsam das prächtige Tier in seinem gläsernen Gefängnis beobachten. Aber was mir da ins Glas gegangen ist, wusste ich selbst noch nicht. Ich bin Hobbyimker und kein Insektenkundler. Da kenne ich mich nur rudimentär aus.

„Ich tippe auf Hornisse und auf Königin sowieso. Bei den Wespenarten überwintert nur die Königin. Bevor sie Eier legen kann um ihr Volk aufzubauen, muss sie sich mit Nestbau befassen,“ erklärte ich.

Hornissen stehen unter Artenschutz. Bewohnte Nester dürfen nicht vernichtet werden. Jetzt war die richtige Zeit zum Handeln, das wusste ich. Diese Staatengründerin stand erst am Anfang ihrer Bautätigkeit. Bis jetzt hatte sie wenig mehr als das Fundament zu dem künftigen Hornissennest gelegt.

Ich gebe zu: Die Größe des Insekts verunsicherte mich. Eine Hornissenkönigin habe ich meinen 65 Lebensjahren selbst noch nicht gesehen, wohl aber die Arbeiterinnen. Zur Zeit liest man als Imker so einiges über die asiatischen Riesenhornissen, die auch hier in Europa unsere einheimischen Bienen zunehmend bedrohen. Vielleicht macht sich diese stark invasive Art nun auch in der Kölner Bucht breit? Dann hätte ich das Tier töten müssen. Denn die Neuankömmlinge aus Fernost bedrohen zunehmend die Bienenvölker und gegen diese neue Gefahr haben die westlichen Honigbienen keine Chance.

Erst als ich zu Hause das Insekt intensiv betrachten konnte, wurde mir klar, dass es sich doch eher um eine besonders prachtvolle einheimische Hornissenkönigin handeln musste. Die Tiere können 3,5 cm lang werden. Dieses Exemplar hatte eindeutig Gardemaß. Die rot gefärbten Wangen, das rostrote erste Rückensegment des Insekts und der reingelbe Kopfschild waren schließlich die ausschlaggebenden Ausweismerkmale für ihre Freilassung.

Dafür bin ich einige Kilometer gefahren, um sie dann im freien Gelände auszusetzen. Sollte sie ihren Staat doch woanders gründen. In einem Garten mit spielenden Kindern würde sie nicht willkommen sein. Auch wenn Hornissen dem Menschen eigentlich ausweichen und sie ihn, anders als die Wespen des Spätsommers, nicht belästigen. Ein Hornissenvolk mit über 600 Tieren im Hochsommer möchte man nicht haben, wenn man kleine Kinder hat. Die raschen Bewegungen der spielenden Kinder könnten die Insekten als Bedrohung missverstehen und angreifen.

Und in meinem Garten kann ich sie auch nicht dulden. Da verstehe ich mich doch zu sehr als „Bienenvater“, der sich um das Wohl seiner Schützlinge sorgt. Unter Imkern hatten Hornissen als Bienenjäger schon in der Antike keinen guten Ruf. Doch das muss man zugunsten der großen Insekten heute stark relativieren. Heute weiß man, dass unsere einheimischen Hornissen im Gegensatz zu ihren asiatischen Verwandten nie in Gruppen ein Bienenvolk überfallen. Forschungen haben gezeigt: Es sind nur vereinzelte Hornissen, die sich auf den Fang von Honigbienen spezialisiert haben. Deren tägliche Fangquote soll nur ca. 10-15 Bienen pro Volk betragen. Angesichts einer täglichen Reproduktionrate von 1500-3000 Jungbienen pro Volk, fällt der Schaden, den einheimische Hornissen an Bienenvölkern ausrichten, nicht wirklich ins Gewicht.

Hornissen, die vor den Stöcken der Honigbienen jagen, leben außerdem gefährlich. Bienenstachel können den dicken Chitinpanzer der Hornissen zwar nicht durchdringen. Doch unsere Honigbienen haben gegen die ihnen körperlich überlegenen Goliathe eine raffinierte Abwehrstrategie entwickelt. Jagende Hornissen werden in den Stock gelockt, wo sie sofort von Heizerbienen eingeknäuelt werden. Mit Kontraktionen der Flugmuskulatur können diese Temperaturen bis zu 50 Grad erzeugen. Während die selbst kurzzeitig eine solche Temperatur ertragen können, bedeutet das für die Hornisse im Zentrum des Bienenknäuels den sicheren Hitzetod. (Lange bekannt ist dieses Verhaltenvon den asiatischen Honigbienen, doch auch bei der westlichen Honigbiene wurde diese Abwehrstrategie beobachtet.)

Wer weiß? Vielleicht ernähren sich ja die meisten Hornissen deshalb von lieber von Fliegen, die 90% und mehr ihrer Nahrung ausmachen. Aus menschlicher Perspektive liegt ja darin auch ein Nutzen der Hornissen, dass wir nicht allzusehr von Bremsen, Schnaken und Stechmücken geplagt werden. Ein Hornissenstaat vertilgt täglich bis zu einem halben Kilo Insekten.

Aber ich will meinen Honigbienen trotzdem nicht zumuten, in der direkten Nachbarschaft von jagenden Hornissen zu leben. Außerdem hätte die Gefahr bestanden, dass die Hornissenkönigin in den Garten meiner Tochter zurückkehrt und ihre Staatsgründung trotz der schlechten Erfahrungen mit dem Gurkenglas fortsetzt. Meine Familie wohnt gleich um die Ecke. Ein erneuter Notruf wäre vorprogrammiert gewesen.

Jetzt hoffe ich, dass meine Hornissenkönigin ihre zweite Chance nutzt und ihren Staat dort gründet, wo sie nicht mit unseren Ängsten, Vorurteilen und Lebensweisen in Konflikt gerät. Vielleicht findet sie ja den Garten eines Naturfreundes, in dem sie willkommen ist. Viel Glück!

Ein Kommentar zu “UFI im Gartenhaus

  1. Recht so, In unserem Garten fliegen auch Hornissen, ich sah sie wie sie eine Biene erlegte. Sie verhalten sich äußerst diskret und sie sind bei mir willkommen. Einen lieben Gruß aus Österreich. Herzlich, die Gärtnerin mit dem gruenen Daumen.

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