Kuscheln mit der Königin
Hinterlasse einen Kommentar3. Dezember 2018 von Marzellus

Oder: Wie Bienen über den Winter kommen
Dass es Sommerbienen und Winterbienen gibt, die sich in ihrem Verhalten und auch in ihrer Physiognomie unterscheiden, gehört zu den vielen Merkwürdigkeiten im Bienenstock. Eine Sommerbiene ist kurzlebig. Ihre Lebensdauer beträgt zwischen 15 und 48 Tagen. In dieser Spanne hat sie für das Insektenkollektiv eine Vielzahl von Aufgaben erfüllt. Am Ende fällt sie als Sammelbiene nach ca. 800 Kilometer Flugleistung irgendwo zwischen Futterquelle und Bienenstock erschöpft vom Himmel und stirbt. Sie hat sich im Dienste für ihr Volk zu Tode gearbeitet.
Winterbienen sind in Bezug auf ihre Lebensdauer besser dran. Sie leben 170 Tage und länger. Ihr einziger Auftrag: Die Königin wärmen und sie gesund über den Winter bringen.
Fehlender Arbeitsstress im spätsommerlichen Bienenstock ist einer der Gründe für die Langlebigkeit der Winterbienen. Mit dem Rückgang der Temperaturen und der Abnahme des Trachtangebotes lässt auch die Eiablage der Bienenkönigin nach und wird im Laufe des Septembers ganz eingestellt. So kommt es, dass immer mehr Bienen schlüpfen, die „arbeitslos“ sind und von den noch aktiven Stock- und Sammelbienen mit Pollen versorgt werden. Aufgrund dieser Diät legen die noch jungen Winterbienen körpereigene Fett- und Eiweißdepots an. Sie helfen ihnen zusammen mit dem eingelagerten Honig den Winter zu überstehen.
Neben der speziellen Nahrung und genetischen Faktoren vermutet die Bienenforschung, dass das sogenannte „Juvenilhormon“ bei der Entstehung der Winterbienen einen entscheidenden Einfluss hat. Sommerbienen haben wesentlich mehr davon in ihrem Blut als ihre winterharten Schwestern. Das Wachstumshormon steuert die Weiterentwicklung von Körperteilen, die die geschlüpften Jungbienen erst zur Aufnahme bestimmter sozialer Aufgaben befähigt. Es sorgt jetzt dafür, dass Winterexemplare sich auch physiologisch von ihren Schwestern unterscheiden.
Im Gegensatz zu ihren Cousinen, den Wildbienen, bei denen nur die Königin überwintert, halten Honigbienen keinen Winterschlaf. In den Wabengassen des Stocks rücken sie eng zusammen und bilden die sogenannte Wintertraube, mit der Königin in ihrer Mitte. Bei einer kuscheligen Temperatur von 25° wird sie hier von ihren Arbeiterinnen warmgehalten und ernährt.
Die notwendige Wärme, die selbst bei extremem Frost nie unter 20° Celsius fällt, erzeugen die Bienen durch kollektives Zittern ihrer Flugmuskeln. In der Wintertraube herrscht eine andauernde Bewegung. Die Bienen heizen in Wechselschicht. Die Arbeiterinnen auf der Außenseite, die durch intensive Muskelarbeit ihr Volk vor dem Auskühlen bewahren, wandern zum Aufwärmen in das Innere des Insektenknäuels, und ausgeruhte Kolleginnen übernehmen sogleich ihre Schicht als Heizer.
Honig mit einem Zuckeranteil von mehr als 80% ist ein idealer Kalorienspender. Wegen des geringen Anteils an Ballaststoffen in diesem Winterfutter können die Bienendamen notfalls monatelang „einhalten“. Erst im Frühjahr, wenn die Außentemperaturen auf über 10°C ansteigen, entleeren sie ihre Kotblasen bei einem ersten Reinigungsflug.
Von der Weihnachtszeit an beginnt wieder die Ammentätigkeit der Arbeiterinnen. Weil die Königin das Eierlegen wieder aufnimmt, entwickeln die Winterbienen sich von nun an auch körperlich weiter zu Stockbienen und Flugbienen, die den Pollen für die erste schlüpfende Generation von Sommerbienen sammeln. Deshalb steigt jetzt auch der Honigverbrauch zum Heizen enorm. Die Imker haben eine letzte (!) Chance mittels Oxalsäure die phoretischen60 Milben loszuwerden, die noch trotz der Milbenkur des Imkers im Spätherbst an den Körpern der Arbeiterinnen schmarotzen.
Es heißt, eine Winterbienengeneration ziehe drei Sommerbienen- generationen auf, während die Winterbienen wiederum von drei Generationen Sommerbienen ernährt und gepflegt werden, um die Reserven für den Winter zu erhalten.
Der Zyklus von honigsammelnden Sommergemeinschaften und Wintergemeinschaften, die die Königin heil über die kalte Jahreszeit bringen, ist eine Anpassungsleistung der Honigbienen an die Wetterbedingungen in kälteren und gemäßigten Klimazonen. In wärmeren Klimazonen mit einem ganzjährigen Nahrungsangebot arbeiten dagegen die Bienen durch. Hier sind dann für den Imker Ernten von 50 Kilo Honig und mehr keine Seltenheit.
Das ist ein Probekapitel aus meinem Buch: Bienen, die Seele des Sommers.
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