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Insektensterben, wo hängt’s?

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26. Oktober 2017 von Marzellus

SchweigenDerPolitik
Pestizide tun genau das, was sie sollen: Begleitflora ausrotten und Insekten vernichten. Und das trifft Honigbienen genau so wie die anderen 33.000 Insektenarten in Deutschland. Wenn schon in den Naturschutzflächen die Situation dramatisch ist, wie sieht es dann erst auf Äckern und Weideland aus? Die Antwort kann doch nur lauten: Noch dramatischer! Wenn man das mal endlich untersuchen würde, dann wird wahrscheinlich herauskommen, dass ein Kopfsteinpflaster mehr ökologische Qualität hat, als intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen.

Diese Woche widmet sich „Die Zeit“ in zwei umfangreichen Artikeln dem Thema Insektensterben. Einer endet mit einem Statement des Trierer Insektenspezialisten Axel Hochkirch, der das Problem von gleichzeitiger Datenarmut und Dringlichkeit auf den Punkt bringt: „Wir können keineswegs warten, bis wir alles erforscht haben, bevor wir mit den notwendigen Maßnahmen beginnen“.

Man mag wie die Autoren der Zeit zu dem Fazit gelangen, dass die wenig aufgeregte Reaktion der Politik darin zu suchen sei, dass sie den Sinn fürs Radikale verloren hat und breiter Konsens und mittlere Vernunft ihr wichtiger sind  als das ökologisch Unausweichliche.  Aber eine solche Erklärung greift zu kurz. Die Probleme vor denen wir heute stehen, sind nicht das Ergebnis von zahmer und zögerlicher Umweltpolitik, und auch nicht in erster Linie das Ergebnis unseres Konsumverhaltens, wie man uns gerne glauben machen will. Die Wurzel des Übels liegt in einer jahrzehntelangen vefehlten EU-Subventionspolitik.

Ich habe Verständnis dafür, dass viele Landwirte den Umstieg auf eine umweltverträglichere Nahrungsmittelproduktion fürchten, weil sie das nicht stemmen können. Das kann aber die Politik. Aber wenn die konventionelle Landwirtschaft als der größte Verursacher für den drohenden Ökozid ausgemacht ist, muss man auch dort mit wirksamen Maßnahmen anfangen.

55 Milliarden EU-Subventionen sind ein mächtiges agrarpolitisches Instrument. Damit kann man wirklich und schnell mehr Umweltschutz auf den Acker bringen, wenn man das Geld gerechter verteilt und wirklich nachhaltige Maßnahmen im Umweltschutz fördert. Die Gesellschaft darf angesichts der aufziehenden Ökokatastrophe Insektensterben doch wohl erwarten, dass an die EU-Gelder auch strengere Umweltauflagen gebunden sind, weil sie auch so begründet werden. Doch ich habe meine Zweifel, was die Rechtfertigung der ganzen EU-Prämien an die Landwirte betrifft, und sehe mich in diversen wissenschaftlichen Studien bestätigt.

Seit 2013 erhält ein Landwirt 86 €uro pro Hektar für sogenannte „Greening Maßnahmen“. Dazu gehören das Brachliegenlassen von Flächen , die Schaffung von ungenutzten Pufferstreifen entlang von Gewässern, die Erhaltung von Hecken oder Teichen. Auch der Anbau von Hülsenfrüchten wie Erbsen, Ackerbohnen oder Lupinen oder von Zwischenfrüchten wie Ackersenf oder Ölrettich wird gefördert.

Die Autoren einer 2017 veröffentlichten Bertelsmannstudie zu den EU Agrarsubventionen bezweifeln die ökologischen Intentionen der „Greening Politik“.  Das sei ein „grünes“ und „soziales“ Deckmäntelchen für anachronistische Direktzahlungen an die Landwirtschaft. Mit solchen Scheinargumenten verkaufe man der Öffentlichkeit verkappte Einkommenshilfen an die Landwirte.  Einen direkten Beleg dafür liefert einer aktuellen  EU-Befragung. Während 55 % der Bürger Umwelt- und Klimaschutz für die größte Herausforderung der Landwirtschaft halten, sind unter der Gruppe der Bauern nur 28% dieser Meinung.

Wissenschaftler des renommierten Helmholtz Institutes haben untersucht, was die Greening Maßnahmen in der Realität für die Artenvielfalt bringen. Das Ergebnis ist ernüchternd. 68 Prozent der deutschen Bauern beantragen die Mittel und bauen Hülsen- und Zwischenfrüchte an, die für das erklärte Ziel der Förderung der Artenvielfalt überhaupt nichts beitragen.

Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass eine naturverträgliche Bewirtschafttung mehr Biodiversität bringen würde als das favorisierte Greening.

Dass sich die Landwirtschaft insgesamt weit von den gesellschaftlicher Erwartungen an die Produktion von Lebensmitteln und ihren Beitrag für nachhaltige Landbewirtschaftung entfernt hat, lässt sich ebenfalls belegen.

Die lancierte Meinung, dass der Verbraucher in erster Linie billige Lebensmittel erwartet, ist nicht zutreffend. Eine Emnid Umfrage aus 2014 im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministerium belegt genau das Gegenteil: 88 Prozent der Befragten erwartet dass die Landwirte im Einklang mit der Natur wirtschaften. Der Preis der Lebensmittel rangiert in der repräsentativen Befragung an letzter Stelle.

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Wie verfehlt die Subventionen auch in Bezug auf die „sozialen“ Zielsetzungen sind sieht man, wenn man mal hinschaut, wer zu den größten Subventionsempfängern gehört.

Statistisch zahlt der Staat 42 Prozent der Einkommen in der Landwirtschaft. Aber die Statistik täuscht. Die momentane Agrarförderung funktioniert nach dem „Matthäus – Prinzip“: Wer hat, dem wird gegeben … . Fördermaßnahmen orientieren sich im Prinzip an der Betriebsgröße und subventionieren so nicht nur Landwirte sondern zum Beispiel auch Kapitalgesellschaften, die Landkauf im großen Stil betreiben und Flächen vor allem in Ostdeutschland als Renditeobjekte aufkaufen.

Die 80 Prozent der Höfe mit dem geringsten Einkommen bekommen laut „Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ nur 25 Prozent der Direktzahlungen, die zehn Prozent mit dem höchsten Einkommen dagegen 55 Prozent. Großbetriebe profitieren besonders, die kleineren haben das Nachsehen. Der Teufel scheißt halt immer auf den größten Haufen. Das aktuelle, auf Großbetriebe ausgerichtete Subventionsmodell wirkt sich negativ auf Umwelt- und Landschaftsschutz aus, verdrängt bäuerliche Betriebe und gefährdet damit die Entwicklung des ländlichen Raums.

Man staunt nicht schlecht, wenn man die Summen sieht, die einer der größten Landbesitzer in Deutschland, die Südzucker-AG für ihren 10.000 Hektar großen Landbesitz an Subventionen einstreicht: 1.820.844,04 €.

Der Brillenmultimillardär Fielmann – 6,2 Milliarden $ Vermögen – schneidet sich vom großen EU-Subventionskuchen für die Landwirtschaft für seine groß aufgezogene Biolandwirtschaft ein Stück in Höhe von 637.842,88 € ab. Es klingt wie Hohn, wenn der Mann, der laut Forbes Magazin zu den 300 reichsten Menschen der Welt gehörende Unternehmer allein 236.014,95 Euro Basisprämie erhält, die der Einkommenssicherung und Risikoabsicherung der landwirtschaftlichen Betriebe gilt. (Quelle: www.agrar-fischerei-zahlungen.de )

Der größte deutsche Landwirt ist die KTG-Agrar AG, deren Subventionsanteil an der in Deutschland bewirtschafteten Fläche von 17.000 Hektar sich nicht aus der Datenbank des Landwirtschaftsministeriums erschließen lässt. Wenn man überschlägig den Schluck der Aktiengesellschaft aus der Subventionspulle schätzt, dann dürfte der über 3.000.000,- Euro allein für die BRD liegen. Insgesamt bewirtschaftet der Konzern 46.000 Hektar in Litauen und in Deutschland)

Das klingt nicht nach der Förderung einer regionalen und bodenständigen bäuerlichen Landwirtschaft.

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