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Am Anfang war das Unkraut

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6. November 2017 von Marzellus

thistle-pixabay887214_640Mit Sprache lässt sich trefflich manipulieren, dass weiß jede PR-Abteilung. Es macht gewiss einen gewaltigen Unterschied, ob ich eine Abfallbeseitigungsanlage eine Müllkippe oder einen Entsorgungspark nenne. Und die professionellen Worttäuscher und Sprachregler sind ganz sicher unterwegs, wenn es darum geht, die aktuelle Diskussion um Glyphosat oder sonstige Ackerchemikalien zu verharmlosen.

Der Verdacht, dass es sich bei Begriffen wie „Unkraut“ und „Schädling“ um Propagandabegriffe der Agrarindustrie handelt, wie ich kürzlich in einem Facbook Diskussionsbeitrag gelesen habe, ist dagegen unbegründet. Solche negativ besetzten Wörter entsprechen nicht der üblichen Kommunikatiosstrategie moderner Unternehmen. Mit der klaren Botschaft „Wir sind die Guten“ stellt man sich hier lieber mit Positivbegriffen dar.

Zentrales Instrument öffentlichkeitswirkasamer Imagepflege ist immer der Wertekanon der jeweiligen Firma. Bei Bayer sieht der folgendermaßen aus: „Nachhaltige Landwirtschaft, verantwortungsvolle Anwendung von Produkten, Innovationen für eine nachhaltige Zukunft, Förderung von Menschenrechten, Abschaffung von Kinderarbeit, Gewährleistung einer angenehmen Arbeitsatmosphäre, Erhalt der Artenvielfalt, Nutzung von Pflanzenbiotechnologie, effizienter Gebrauch von Wasser, verantwortungsvolle Vermarktung und Vertrieb von Produkten“.

Auch der zukünftige Fusionspartner von Bayer, Monsanto, formuliert gegenüber der Öffentlichkeit eine eigene Firmenethik, die im „operativen Geschäft“ nicht zu wiederzuerkennen ist.

„Die Sicherheit unserer Mitarbeiter, der Gemeinschaften, in denen wir tätig sind; unserer Kunden, der Verbraucher und der Umwelt hat dabei für uns höchste Priorität“, solche Sätze finden sich unter dem Stichwort „Unser Wertekodex“.  Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Greenwashing, nennt man solche PR-Lügen. Man weiß: Begriffe wie „Unkrautvernichtung“ sind sprachlich kompromittierend. Besser man spricht von „aktivem Unkrautmanagement“. Auch „Gift“ ist ein Negativbegriff, besser klingen da „integrierte Kulturlösungen“, „proaktive Produktbegleitung“, „aktive Substanzen“ oder „innovative, effektive und sichere Pflanzenschutzlösungen“.

Anders als die perfiden sprachlichen Täuschungsmanöver der Öffentlichkeitasarbeiter in den Konzernen, reflektieren die einleitend benutzten Wörter „Unkraut“ oder „Schädling“ unsere gesamtgesellschaftliche Haltung gegenüber Flora und Fauna. Fast immer wird der Nutzen der Natur für den Menschen betont. Ich erinnere nur an das biblische Trauma des Menschen, der aus dem Paradies in eine Welt der „Disteln und Dornen“ vertrieben wurde. Am Anfang war das Unkraut! Bis heute bloggen Gärtner Sätze wie „Flora ist perfide, durchtrieben, bösartig und skrupellos“ und beschweren sich über die „Frohwüchsigkeit“ selbst von Gartenpflanzen, die wegen dieser unerwünschten Eigenschaft sich der ordnenden Kontrolle des Gärtners entziehen.

Entsprechend alt ist auch die Wortgeschichte von „Unkraut“. Als Gegenwort zu „kraut“ taucht es schon im Althochdeutschen – das ist die Zeit zwischen 750 und 1150 – als „uncrût“ auf. Schon damals gab es weitaus schlimmere Bezeichnungen. Wörter wie „Übelkraut“ oder „böses Kraut“ suggerierenen aktive Niederträchtigkeit der nicht vom Menschen nutzbaren Vegetation. Und immer wird auch dieses Wort synonym mit einem zweifelhaftem Charakter eines Menschen konnotiert. „Der Charakter des Menschen wächst sich entweder zur Nutzpflanze oder zum Unkraut aus, deswegen muß man hier rechtzeitig gießen, dort jedoch ausrotten.“ schreibt der Aufklärer Francis Bacon.

Das Wort „Schädling“ ist neueren Datums. Das Grundwort „schaden“ ist so alt wie unsere Sprache. Im gewaltigen Textkorpus der berlin-brandenburgischen Akademie der Wissenschaften taucht das Wort „Schädling“ in seiner heutigen Konnotation eines Kulturpflanzen bedrohenden Organismus aber erst 1875 zum ersten Mal auf.

Wenn man die Nutzung eines Begriffs im Zusammenhang mit anderen Wörtern untersucht, kann man gut erkennen, wie sich auch die gesellschaftlichen Vorstellungen bezüglich unerwünschten Beiwuchses entwickelt haben. Betrachtet man das entsprechende Wortprofil von „Schädling“, dann fällt auf, dass es neben seiner Grundbedeutung zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend zu einem Ausdruck ideologischer Propaganda wird. Anfangs waren es Parteien aus dem linken Spektrum, die das Wort als politischen Kampfbegriff benutzten. Schon im Vorfeld von Hitlers Machtübernahme wird „Schädling“ ein fester Bestandteil der Nazisprache. Begriffe wie „trotzkistischer Schädling“ oder „Volksschädling“ bereiten die radikale physische Vernichtung politischer Gegner und den Holocaust vor. Mit der „Verordnung gegen Volksschädlinge vom 4. September 1939“ entwickelt das Wort sich zu einem Terminus nationalsozialistischer Rechtsprechung. Vier Tage nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der nationalsozialistischen Justiz ein wirksames Instrument zum Schutz der „inneren Front“ zur Verfügung gestellt. Die einzelnen Tatbestände und Strafrahmen waren hierbei bewusst äußerst weit gefasst, so dass auch für sehr geringfügige Taten die Todesstrafe verhängt werden konnte.

Der Aufstieg des positiv besetzten Gegenbegriffs „Nützling“ beginnt erst mit dem Aufkommen der ökologischen Landwirtschaft Ende der 1970er Jahre. Bis dahin galt im Prinzip die Meinung: „Insekten – mit einigen wenigen Ausnahmen (Honigbiene, Seidenspinner) – machen sich als Schädlinge und durch massenhaftes Auftreten bemerkbar“. Wen wundert es, dass dieser Lehrsatz aus einem Buch mit dem Titel: „Lebenskunde für Mittelschulen“ aus dem Jahr 1941 noch bis heute in den Köpfen vieler Menschen steckt.

Heute ersetzt die Bezeichnung „Wildkräuter“ zunehmend den Begriff Unkräuter. Das Wort, dass heute im Sinne einer umweltpolitischen Korrektheit in Gebrauch ist, stammt ebenfalls aus der NS-Zeit. “ Um Raum, um Luft, Wasser und Nährstoffe für die anspruchsvollen Kulturpflanzen bereitzustellen, muß das Paradies der Wildkräuter und Wildgräser zerstört werden.“, schrieb der Schriftsteller und Landwirtschaftsjournalist Christian Diederich Hahn 1939. Das Zitat zeigt einerseits auf die ideologischen Wurzeln der heutigen Agrarindustrie. Andererseits dokumentiert sich hier auch die Erkenntnis, dass man nicht erst seit heute mit der Vernichtung der Artenvielfalt die Zerstörung der Naturräume wider besseres Wissen billigend in Kauf nimmt.

Literarische Belege für eine gelebte Unkrauttoleranz gibt es nur wenige. Adalbert Stifter erkennt zumindest für den Wald: „Im Walde ist gar kein Unkraut, weil der Herr jedes Kräutlein liebet “

„Ein Land darf sich erst dann wirklich als kultiviert oder zivilisiert bezeichnen, wenn es seiner Wildnis genug Bedeutung schenkt.“ schrieb der amerikanische Naturschützer Aldo Leopold.( † 21. April 1948 ).

Was unseren Umgang mit der Natur betrifft, sind wir immer noch Barbaren.


Ich empfehle auch meinen Post mit dem Titel: Kein Pardon für das Gänseblümchen

https://www.advancingtogether.com/de/%C3%BCber-bayer/unsere-werte/

http://www.monsantoglobal.com/global/de/wer-wir-sind/Pages/unser-wertekodex.aspx

http://www.gruentoene.ch/2017/03/28/pflanzen-ein-pamphlet/

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