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Artenschutz made in Germany

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20. Oktober 2017 von Marzellus

heuschrecke-172536_640Der Kölner Stadtanzeiger, meine Regionalzeitung, nennt das, was Krefelder Hobbywissenschaftler schon 2013 aufgedeckt haben und was jetzt von der etablierten Wissenschaft als Faktum zweifelsfrei bestätigt wurde,  einen „dramatischen Insektenschwund“. Bundesweit greifen die Medien momentan ein Thema mit großem Katastrophenpotential auf, um es dann am Ende in seiner Dramatik wieder herunterzuspielen. Der MDR z.B. spricht von einer „ökologischen Katastrophe“, die Zeit warnt vor einem „ökologischen Armageddon“.  Auch wenn grundsätzlich gilt, dass „schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind“ – zuviel Angst scheint dann doch nicht erwünscht.

Der KStA titelt entsprechend mit der Frage: „Gehen Deutschland die Insekten aus?“ und bleibt am Ende die Antwort schuldig. Immerhin gibt es da ja noch die Agrarlobby, die man im Sinne journalistischer Ausgewogenheit zu Wort kommen lässt.  Die betont erwartungsgemäß, dass es noch dringenden Forschungsbedarf zum Umfang und den Ursachen des dargestellten Insektenrückgangs gibt. Das klingt nach „langer Bank Strategie“ mit der Option, dass der Umweltaufreger der Woche sich am Ende doch als mediale „Eintagsfliege“ oder als politisches Nischenthema erledigen wird.

Wir Imker kennen das aus leidvoller Erfahrung. Seit Jahren wehren wir uns gegen die Nahrungsnot der Honigbienen in unseren Agrarwüsten und gegen die Chemiecocktails, die unter dem Oberbegriff Pestizide nicht nur unsere geflügelten Schützlinge massiv bedrohen. Das Hinhalteargument, dass man trotz wissenschaftlicher Studien im Dutzend zweifelsfrei keinen Zusammenhang zwischen industrialisierter Landwirtschaft und tonnenweisem Pestzideinsatz auf Wiesen und Äckern behaupten könne, solange Varroamilben die Völker bedrohen, kennen wir.

Beim Thema Insektensterben lässt sich Vergleichbares beobachten. Hier beanspruchen neben den Kritikern der Agrarindustrie ja inzwischen auch  die Klimaforscher die Deutungshoheit in ihrem Sinne. Divide et impera, wenn zwei sich streiten, freut sich die Agrarlobby! Solange gestritten wird passiert nichts. Es geht nur einfach weiter wie gehabt.

Der finale Countdown zum ökologischen Kollaps läuft, und wir dürfen die Zeit nicht weiter mit Ursachenforschung vertun. Rührend hilflos finde ich in diesem Zusammenhang den Aktionismus der NRW – Politikerin Schulze-Föcking, die als erste deutsche Landesumweltministerin jetzt in NRW die Bienen zählen lassen will. Das Thema eignet sich nicht für eine politische Profilierung.  Wer heute kurz vor dem Ende des fünften und letzten Aktes einer gewaltigen ökologischen Katastrophe meint, aufwändig forschen zu müssen, statt die Notbremse zu ziehen, handelt verantwortungslos.

Ich möchte daran erinnern,  dass die internationale Staatengemeinschaft in der legendären Umweltkonferenz von Rio (1992) sich verbindlich darauf verständigt hat, dass man den Ursachen des dramatischen Verlustes an Biodiversität DRINGEND wissenschaftlich auf den Grund gehen müsse, um das Schlimmste zu verhindern. In Deutschland ist da offensichtlich in den vergangenen 25 Jahren wenig passiert, außer dass sich eine Handvoll Hobbywissenschaftler – ich betone: DANKENSWERTER WEISE – mit dem Thema beschäftigt haben.

Die Krefelder Entomologen schreien nun auch schon seit über 4 Jahren Alarm, aber ihre Befunde werden insbesondere von der Agrarlobby und ihren politischen Knechten in den Ministerien heruntergespielt, relativiert oder geflissentlich überhört. Selbst die GRÜNEN haben dieses Feld nur sehr halbherzig beackert. Eine Wahlkampagne zu diesem Thema wurde mit dem Argument, die Studie der Krefelder, auf die man sich stützte, sei nicht repräsentativ, ausgekontert. Auch unsere Umweltministerin mit Ablaufdatum, Frau Hendricks, hat u. a. wegen der neuen Bauernregel: „Ohne Blumen auf der Wiese, geht’s der Biene richtig miese“, in diesem Frühjahr von der Agralobby unter hämischem Beifall des Wahlvolkes gewaltig eins auf die Nase bekommen.

Stattdessen betreibt man von Berlin aus ohne Rücksicht auf Verluste an Biodiversität und auch an politischer Glaubwürdigkeit mit Energie die EU-weite Wiederzulassung von Glyphosat. Zusammen mit Hunderten anderen Ackergiften tut dieses gemeingefährliche Pestizid genau das, was es tun soll: Unerwünschten Nektar und Pollen liefernden Beiwuchs und die danach suchenden Insekten vernichten. So sieht Artenschutz made in Germany aus. Immerhin haben Bayer und Monsanto was davon.

Link zur Studie: 

More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas

 

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