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Bestäubung ist ein öffentliches Gut

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26. April 2018 von Marzellus

bestaeubung_GutUnter der Rubrik „Startup-Helden“ der online Ausgabe der Welt – und nicht nur dort – wurde gestern ein Unternehmen vorgestellt, bei dem man Bienen mieten kann. Ein Herr Schimanski will, dass es wieder mehr Bienen in Deutschland gibt. Damit das möglich wird, will er seinen Mietern den Aufwand und die harte körperliche Arbeit des Imkerns und auch die Stiche ersparen.

Für 180 bis 200 Euro im Monat kommt dafür ein Imker ins Haus um den notwendige Pflegedienst zu erledigen. „Imkern wieder sexy machen“, nennt der Jungunternehmer seine Geschäftsidee. Sein Zielpublikum sind Firmen – natürlich! Bei einem maximalen Honigertrag – Schimanski nennt da 50 Kilo – wird ein Privater da wohl nicht anbeißen. Bei einem durchschnittlichen Kilopreis von 10,00 €uro stehen selbst bei solch utopischen Zahlen die Erträge in keinem Verhältnis zum finanziellen Aufwand.

Warum sollten Firmen – der Bundestag, die Landtage und viele Kommunen machen so etwas ja bereits jetzt schon – so etwas tun? Da kenne ich nur ein Motiv: Greenwashing mit PR-Potential nach dem Motto: „Schaut her, wir tun was!“, also so eine Art moderner Ablasshandel im Zeitalter eines globalen Artenschwundes.

Ich halte das für einen völlig verfehlten Ansatz. Wer Probleme lösen will, und wir haben mit dem Insekten und Bienensterben da ein massives Problem, sollte sie bei der Wurzel packen. Und die liegt doch nicht darin, dass wir mehr Bienenstöcke auf Firmendächer bringen.

In Deutschland und in ganz Europa gibt es ein eklatantes Bestäubungsdefizit bei den landwirtschaftlichen Nutzpflanzen, und die wachsen bekanntlich nicht in urbanen Stadtgärten und in den Parks, und auch nicht im Flugradius von Großbanken und Konzernzentralen.

In Großbritannien können die Bienen und ihre wilde Verwandtschaft nicht einmal ein Viertel der benötigten „Leistung“ – um in der BWLer – Sprache zu bleiben „liefern“. In Deutschland fehlen je nach Region zwischen 25 – 50%.

Wissenschaftlichen Studien zufolge erbringen Honigbienen knapp die Hälfte der insgesamt für die Landwirtschaft benötigten „Pollinierung“. Den Rest erledigen die Vielzahl anderer Insekten, für die der Biene-Maja Effekt leider nicht greift.

BESTÄUBUNGSLEISTUNG, nicht Honigernte, das ist der Segen, den die Bienenhaltung und der Insektenschutz zu gleichen Teilen uns als Gesellschaft bringen.

Wie absurd klingt die Klage von Rapsbauern, der Verzicht auf Ackergifte gegen Schädlinge brächte Ernteeinbußen von bis zu 15%, wenn andererseits die Erträge um bis zu 30% höher ausfallen, wenn die benannten „Nützlinge“ die Ölfrucht bestäuben. Bei anderen landwirtschaftlichen Kulturen sind die Ertragsgewinne nach Insektenbeflug noch deutlich krasser. Das alles ist nachzulesen in Mandls Bestäubungshandbuch, das kostenlos im Internet als PDF zur Verfügung steht.

Honigbienen seien systemrelevant, hat Agrarministerin Glöckner gesagt. Richtig, und nicht nur die würde ich hinzufügen. Und dennoch geht der politische Eiertanz um Glyphosat und andere Ackergifte in die nächste Runde. Dennoch werden Lebensräume für Insekten und Wildpflanzen weiter eingeschränkt. Dennoch werden Subventionen für Greeningmaßnahmen in der Landwirtschaft vom Steuerzahler gezahlt, auch wenn sie dann erfolgen, wenn die meisten Insekten, um deren Erhalt es letzten Endes geht, in der Mehrzahl bereits in ihrer Winterruhe sind.

BESTÄUBUNG ist ein öffentliches GUT, das es zu beschützen gilt, wie unser Luft und unser Wasser. Wann kapieren Politiker, Journalisten, Bauern und clevere Bienenmakler das endlich.

Bestäubung ist sexy, was denn sonst?

Zum Bestäubungshandbuch

Zum zitierten Artikel aus DieWelt

Zum Thema Bestäubung durch Insekten in der Landwirtschaft gibt es auch ein ausführliches Kapitel in meinem Buch Bienen – Die Seele des Sommers

3 Kommentare zu “Bestäubung ist ein öffentliches Gut

  1. thomasbeissel sagt:

    Wo ist das Problem? Unternehmen nehmen so ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr und unterstützen die Imker im Aufbau neuer Bienenvölker und leisten so den ihrigen Teil an Bestäubungshilfe in der direkten Nachbarschaft.
    Das der Aufbau von neuen Völker ein kostenintensives Vorhaben ist, wissen wir Imker alle! Gerade wenn wir um unsere gestiegenen Winterverluste zu kompensieren mehr Bienenvölker als für das Folgejahr geplant, einwintern müssen.

    Viele Grüße, „Der Honigdachs“ Thomas

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    • marzellus1 sagt:

      Ich halte das für den falschen Ansatz. Nicht die Imker brauchen Hilfe, sondern die vernachlässigte Natur. Wenn Unternehmen „Gesellschaftliche Verantwortung“ übernehmen wollen, dann sollten sie das mit eigenen konkreten Naturschutzprojekten tun. Oder Spenden für ehrenamtliche Umweltinitiativen, Pflegemaßnahmen in regionalen NSGs, vor allem ein konsequentes firmeninternes Umweltmagement nach der ISO 14001. Da liegt noch vieles bei uns im Argen, ansonsten hätten wir die gewaltigen Umweltprobleme nicht in dem Ausmaß.

      Bienen mieten, um sie sich als „Greenwashing“-Aktion auf das Firmendach zu stellen, käme bei mir ziemlich weit unten in der ToDo Liste .

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  2. axpGarten sagt:

    heute war es windig und kalt – von bienen keine spur 👍👍 die arbeit an meinem jetzt blühenden apfelbäum machen wieder die hummeln! bei mir ist oft windig, ohne hummeln 😵😖

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