Give Bees a Chance
26. März 2018 von Marzellus

Welche Pflanzen helfen Bienen und Schmetterlingen? Die Antwort ist vor dem Hintergrund der modernen Pflanzenzüchtung und neuer Zuchtziele nicht mehr eindeutig zu beantworten.
Alle Frühjahre und in jedem Herbst präsentieren die einschlägigen Gartenmedien Zuchtneuheiten bei Beet- und Balkonpflanzen, Stauden und Gehölzen. Sie unterstützen und erweitern so einen beachtlichen Markt mit einer verwirrenden Vielfalt an Zuchtformen. Als Imker sieht man das mit gemischten Gefühlen. Züchterische Vielfalt ist nicht unbedingt gut für Bestäuber.
Gärtnereien und Gartenmärkte beliefern in Deutschland 15 Millionen Freizeitgärtner Der Handel und Verkauf von Garten und Balkonpflanzen ist ein Riesenmarkt. Die Anbieter von Pflanzen für den Garten verzeichneten 2017 einen Gesamtumsatz von 18,6 Milliarden Euro. Allein für Blumen und Pflanzen gaben die Deutschen im vergangenen Jahr 8,6 Milliarden Euro aus 2017. Doch welche Pflanzen helfen in Zeiten des Insektensterbens den Bestäubern?
In meiner Regionalzeitung war dieser Tage zu lesen, welche Pflanzen die gärtnerischen Fachverbände zu ihren Pflanzen des Jahres gekürt haben. In dem Artikel wurden Taglilie, Steckrübe, Esskastanie, Ingwer und der langblättrige Ehrenpreis, Veronca maritima, beschrieben.

Der Ährenblättrige Ehrenpreis, Veronica spicata, lockt mit Pollen und Nektar. Die abgesonderte Nektarmenge ist allerdings nicht sehr ergiebig. Sie beträgt pro Blüte 1.2 mg am Tag, wobei die Bestzeiten für Menge und Zuckergehalt in den Morgenstunden liegen.
Der Letztgenannte gehört zwar zu den Insektennährpflanzen, allerdings ist sie eine Trachtquelle mit sehr mäßigem Angebot. Die Loki Schmidt Stiftung hat diese Blume zurecht in den medialen Fokus gerückt, weil zu befürchten steht, dass bei fortschreitender Intensivlandwirtschaft die naturnahen Flussauen als Ökosysteme verloren gehen.
Natürlich macht auch die Esskastanie unseren Bienen ein gutes Pollenangebot. Aber eine Soforthilfe in Zeiten von Nahrungsnotstand für Insekten ist die Esskastanie sicher nicht. Ihre ersten Blütenstände bildet sie erst mit 20 bis 30 Jahren.
Wer als Gartenfreund mit Neupflanzungen für notleidende Bestäuber einen Beitrag zum Insektenschutz leisten will, hat es nicht einfach. Die großen Anbieter im Internet wie Baldur, Schlüter, Poetschke usw. bieten dem umweltbewussten Gartenfreund in Bezug auf Bienen- oder Insektenfreundlichkeit nur wenig Hilfe. Frosthärte, Pilzresistenz, und vor allen Dingen ihre Optik stehen hier im Vordergrund.
Wer sich angesichts solcher naturschützerischer Informationsdefizite darauf verlässt, dass die klassischen Bienenpflanzen schon irgendwie auch für die Insekten gut sein müssten, läuft Gefahr einem Trugschluss aufzusitzen.
Zwei Beispiele: Erikagewächse liefern den Nektar für den berühmten Heidehonig. In der Lüneburger Heide und in anderen Heidegebieten sorgt die Besenheide, Calluna vulgaris, ab August für ergiebige Trachten.
Doch was in der Natur gilt, gilt für die Angebote in den Gartenmärkten noch lange nicht. Hier sind bei den Erikagewächsen so genannte Knospenblüher die Renner. Darunter versteht man eine Sortengruppe der Calluna vulgaris, bei denen sich die Blütenknospen nicht öffnen. Die Kelchblätter dieser Züchtungen erzeugen die Farbe: Dadurch, dass die Blüte sich nicht öffnet und folglich nicht bestäubt werden kann, ist diese Zuchtform der Besenheide extrem widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse und ihre Farbe bleibt den ganzen Winter über erhalten. Gerade in der späten für die Überwinterung wichtigen Spättracht ab August geht so den Bienen eine wichtige Nahrungsquelle verloren.
Die Sonnenblume ist eine weitere prominente traditionelle Bienentrachtpflanze, die bezüglich ihrer Eignung als Insektennahrung mittlerweile problematisch geworden ist .
Vor zwei Jahrzehnten sind Imker mit ihren Völkern noch zu Feldern gewandert, auf denen Bauern Sonnenblumen anbauten. Als die Pflanzen durch Hybridzüchtung den Bedürfnissen der industriellen Ölgewinnung angepasst wurden, spendeten die neuen Sorten kaum noch Nektar, womit eine weitere Trachtquelle versiegt ist. Das alte Saatgut ist weitgehend verschwunden und von den neuen Sorten weiß man nicht, welche Züchtungen überhaupt noch Nektar spenden.
Für die Sonnenblumenbauern liegt heute der Fokus auf einer möglichst reichen und hochwertigen Ernte. Aus diesem Grund konzentriert sich die Sonnenblumenzüchtung auf Ertragssicherheit, Krankheitsresistenz, Ölgehalt und Ölsäuremuster. Die Ergiebigkeit als Trachtpflanze für Bienen spielt als Zuchtziel keine Rolle. Dabei wird außer Acht gelassen, dass insektenbestäubte Sonnenblumen höhere Erträge liefern und teilweise auch hochwertigere Sonnenblumensamen produzieren.
Die Folge ist, dass Sonnenblumentrachten für die Bienen kaum noch interessant sind, und Sonnenblumenfelder gar zunehmend als problematische Trachten angesehen werden, weil die Pflanzen gar nicht mehr beflogen werden.
Angesichts solcher Zuchtziele ist zu befürchten, dass moderne züchterische Veränderungen bei klassischen Kulturpflanzen zum Nachteil der Bienen- und anderer Bestäuber gemacht wurden. Was für Sonnenblumen als Trachtquelle gilt, gilt sicher auch für andere Hybridzüchtungen.
Was für Kulturpflanzen gilt, gilt im besonderen auch für eine Reihe üppig blühender jedoch als Nahrungsquelle wenig ergiebiger Blumen, Stauden und Sträucher. Da muss endlich ein Umdenken erfolgen. Übrigens: Bei der Anlage meines neuen Bienengartens in Pulheim orientiere ich mich am liebsten bei der Staudengärtnerei Gaissmayer aus Illertissen. Der hat in seinem Online-shop eine eigene Kategorie „Insektenfreundlicher Garten“ und ein großes Sortiment an Bienen- und Schmetterlingspflanzen.
All I am saying: Let`s give BEES a chance!
Toller Beitrag! Habe gelesen, dass die Sonnenblumen mit weniger Pollen so gezüchtet werden, damit sie keinen Schmutz machen , wenn sie in der Vase stehen. Der Blütenstaub könnt ja aufs weiße Tischtuch fallen. Gesehen bei Kiepenkerl, der ja ein Monsantobetrieb ist. Dabei ist eine lustige Sumsi auf der Packung abgebildet und es steht „bienenfreundlich“ drauf. So werden die Konsumenten ver******. Fazit: Nicht kaufen und weitersagen! 🐝🌼
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Danke für deinen Hinweis. Wir müssen wirklich mehr aufklären. Es sind nicht nur Intensivierungsflächen in der Landwirtschaft, Düngung und Pestizide, die den Insekten das Leben schwer machen. In der Pflanzenzucht und ihren Zielen zeigt sich wie erschreckend weit wir uns von den Bedürfnissen der Natur entfernt haben
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