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Wenn die Biene stirbt, dann…

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9. August 2017 von Marzellus

Albert_Einstein_Head

„Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Die bekannte 4-Jahresprognose wird dem Weltgenie Einstein zugeschrieben aber das ist falsch und eigentlich schon ein alter Hut. Einstein hat das nachweislich nicht gesagt. Wenn dann der Bundesvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, den Satz dennoch für Wahlkampfzwecke bemüht,  kann man ihm in der Tat vorwerfen, dass er einer Zitatfälschung aufgesessen ist, die er, Google sei Dank, problemlos hätte vermeiden können. 

So tut es dann auch langatmig und oberlehrerhaft der Salonkolumnist und „Kommunikationsberater“ Ludger Wess in einem Text mit dem Titel „DEUTSCHE INSEKTEN! WÄHLT GRÜN!„, in dem er gegen den Anspruch der Grünen, „die parlamentarische Vertretung der Bienen“ zu sein, stänkert.

Nun macht mich regelmäßig die Berufsbezeichnung „Kommunikationsberater“ misstrauisch, denn das sind die Leute, die beruflich die Lieder der Geschäftemacher singen, in deren Sold sie stehen.

Wessen Lied dabei intoniert wird, ist leicht zu durchschauen, wenn man Wess‘ Zwischenüberschrift liest: „Es geht um Pestizide“ und dann die bekannte Argumentationskette der Agrochemie liest.

Hofreiter persönlich polemisch wegen seiner mangelhaften Zitation zu attackieren und seine fachliche Qualifikation als Biologe zu diskreditieren ist eine Stilfrage. Wer es nötig hat Menschen zunächst einmal klein zu machen, ist dabei selten selber groß. Was mich noch mehr stört ist die Masche, wie der Autor dann selbst mit Halbwahrheiten und falschen Fakten gezielte Desinformation betreibt.

Zunächst behauptet der vermutlich bezahlte Schreiberling, dass die falsche Einstein-Aussage an sich schon „blödsinnig“ sei. Auch ohne Bienen – ich gehe mal davon aus, er meint Honigbienen – müsse man als Menschheit nicht verhungern, da es ja noch genügend windbestäubende Pflanzen gäbe, die unsere Ernährung sichern. Im Grundsatz stimmt das! Zum Pizzateig, um nur ein Beispiel zu nehmen, braucht man als Zutaten Mehl, Olivenöl, eine Prise Salz und Wasser. All das braucht keine Bienen. Aber spätestens, wenn es um den Pizzabelag geht, fängt die Sache an problematisch zu werden. Ohne Bienen reicht es bestenfalls zum Pizzabrötchen.

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Der Screenshot von der Seite www.beecareful.de des Marmeladenherstellers Schwartau illustriert und beschreibt die Bedeutung der Bienen für die menschliche Ernährung

Aber bei dem Thema Bestäubung geht es ja nicht in erster Linie um unseren Speisezettel. Viel wichtiger, und das unterschlägt der studierte Mikrobiologe, ist die Rolle der Bienen in der Ökologie. Bienen, im besonderen Maße Honigbienen, sind die ökologischen Schlüsselinsekten schlechthin. Ohne die Honigbienen und ihre wesentlich stärker gefährdeten wilden Verwandten würde unser lebensnotwendiges ökologisches Gefüge vollends zusammenbrechen.

Da zu propagieren, dass bei einem Aussterben der Honigbienen andere Bestäuber in die Bresche springen würden, ist an Naivität, oder, ich glaube, an unverantwortlicher Desinformation, kaum noch zu überbieten. Auch hier ist die Einlassung, dass es „… neben der Honigbiene Hummeln, Schwebfliegen und zahlreiche andere Insekten gibt, die Blüten anfliegen“,  zwar im Grundsatz richtig. Aber wenn schon die Imker sich weltweit Sorgen machen um das Überleben von Insekten, die unter ständiger Beobachtung und Pflege stehen , dann kann man davon ausgehen, dass solche Sorgen in Bezug auf die „wilden“ Bestäuber, um die sich kaum jemand kümmert, umso angebrachter sind. Zum Thema Insektenschwund gibt es sehr beunruhigende Aussagen zahlreicher Wissenschaftler, die nicht gerade gutachterlich für Bayer, Monsanto und Co. unterwegs sind.

Auch die Behauptung, nicht die Pestizide sondern die Varroamilbe sei das eigentliche Problem der Völkerverluste, ist so apodiktisch nicht haltbar, wie Ludger Wess das behauptet. Sein Kronzeuge hierfür ist der Leiter des Deutschen Bienenmonitorings, Peter Rosenkranz. Der hat tatsächlich gesagt: „Der wichtigste Faktor ist Varroa, der zweitwichtigste Varroa, dann kommt Varroa, und dann noch ein paar andere Einflüsse wie Viren oder die Imker selbst.“

Die Konferenz, auf der der Hohenheimer Bienenwissenschaftler das behauptet hat, ist sechs Jahre her. Schon damals löste dieses Statement massive Kritik aus den Reihen der Imker aus. Der Wissenschaftler musste schon damals einräumen, dass das Thema „kombinatorische sowie chronische Wirkung der Substanzen auf Bienenvölker“ nicht untersucht worden sei. Das gehe auch schlecht im Rahmen eines Monitorings, sondern eher mittels zusätzlicher Experimente.

Schon 2011 war unstrittig, dass zahlreiche Ackergifte in die Nahrungskette der Honigbienen geraten, ohne dass man die damit verbundenen Risiken erforscht hat. Erst drei Jahre vorher geschah das massenhafte Bienensterben im badischen Rheintal im Frühjahr 2008, das sehr schnell und zweifelsfrei auf den Bayer-Wirkstoff Clothianidin zurückgeführt werden konnte.

Inzwischen gibt es etliche Studien zu den bedrohlichen Auswirkungen von Agrochemie auf die Gesundkeit und das Verhalten der Bienenvölker, und die signalisieren keinesfalls Entwarnung. Die Bienenschädlichkeit der Pflanzenschutzmittel gilt inzwischen als „Wissenschaftlich belegt“. Erst kürzlich berichtete die Internetseite www.biooekonomie.de (Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung) von verschiedenen aktuellen Studien zum Bienensterben, die den Schluss nahelegen, dass ein Mix an Faktoren für das alljährliche Bienensterben verantwortlich ist: Der Klimawandel, die Varroa-Milbe und Pestizide aus der industriellen Landwirtschaft – wie die Neonicotinoide sind hierbei die wichtigsten Gründe.

Und es ist auch nicht nur die Problematik Bienengesundheit und Rückstände im Honig, die die Imker umtreibt.  Pflanzenschutzmittel verschlechtern vor allem auch die Nahrungsgrundlagen für Blüten besuchende Insekten, da durch ihren Einsatz wichtiges Ackerbegleitgrün und damit Nahrungsquellen vernichtet werden. Soweit die offizielle Position des Deutschen Imkerbundes.

„Es lässt sich schwer sagen, was Wahrheit ist, aber manchmal ist es so einfach, eine Lüge aufzudecken.“ – Dieser Satz stammt nun definitiv von Einstein. Und „aus halben Wahrheiten lassen sich auch keine ganzen Wahrheiten zusammensetzen.“, der Satz stammt von mir.

 

 

2 Kommentare zu “Wenn die Biene stirbt, dann…

  1. Ich gebe dir in allen Punkten recht, nicht auszudenken, wie es weitergehen würde, wenn die Bienen verschwinden. Ich baue mein Obst/Gemüse selber an und verzichte auf jegliche Chemie. Die Erträge halten sich in Grenzen, aber es reicht für uns. Und ich weiß genau, was ich da auf dem Teller habe. LG Romy

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  2. Jan Michael sagt:

    Ich kann dieses abgedrosche verfälschte Einsteinzitat auch nicht mehr hören und hatte schon vor Jahren bei einer Imkerkonferenz in Paris erfahren, das nach Recherchen im Einstein-Archiv es keine Nachweise gibt das er das jemals gesagt hat.Doch ob Filmemacher „More than Honey“ Bienenforscher, Journalist oder Imkervortrag, es kommt im Publikum immer gut an. Wenn man keine eigenen glaubwürdigen Argumente zur Verfügung hat ist es einfacher einen weltbekannten Slogan nachzuplappern.

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